Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Spekulatius“ - das schmackhafte Weihnachtsgebäck hat manchen von Ihnen die vergangenen Tage versüßt. „Speculum“ - der Spiegel. In den Teigmodeln spiegelten sich ursprünglich die großen Heiligen, die „Spekulanten“ der Weihnachtszeit.
Die Spekulanten unserer Tage sind allenfalls „sonderbare Heilige“. Sie wetten auf sinkende oder steigende Preise bei Devisen und Immobilien, bei Rohstoffen und Wertpapieren. Sie handeln mit „Optionen“ und „Derivaten“, mit „Finanzprodukten“, hinter denen sich gar keine realen, sondern nur vermutete Werte verbergen. Nun sind diese gigantischen „Finanzblasen“ mit Getöse geplatzt, schlagen durch auf die reale Wirtschaft und führen zu einem abgrundtiefen Vertrauensverlust in der Finanzwelt.
Von einem solchen Spekulanten berichtet auch das Lukas-Evangelium (12,16-21). Ein Kornbauer bleibt nach einer reichen Ernte auf seinem Getreide sitzen. Da kommt dem Agrarier die rettende Idee. Er baut neue, größere Scheunen, um darin sein Korn zu speichern. Dann kann er es in Zeiten der Knappheit mit hohen Preisen auf den Markt werfen. Denn „Getreide hat nur bei Missernten einen Preis...“, meint schon Cicero, der römische Politiker und Philosoph. Es ist also immer dieselbe Masche, nämlich künstlich Knappheit zu erzeugen, um daraus Profit zu schlagen. Die Geschichte geht böse aus: Solche Gierhälse bringen sich selbst um Kopf und Kragen: „Du Tor! Noch heute Nacht wird deine Seele von dir genommen...“
Gier ist Egoismus pur – die miserabelste Plattform für sensible Geldgeschäfte. Man kann doch einem Schäferhund nicht die Bewachung eines Wurstkessels anvertrauen. Und darum trifft die Schuld an der Finanzmisere nicht zuletzt die Regierungen. Sie haben im neo-liberalen Wahn auf die Kontrolle der Kapitalmärkte verzichtet. Nun müssen Steuerzahler, Mittelstand und die arbeitenden Menschen dafür bluten. Es wird höchste Zeit für eine strenge internationale Bankenaufsicht, für die Trockenlegung der Steueroasen und die Einführung einer Spekulationssteuer. Ein für allemal: Das Casino ist geschlossen, die Party zu Ende!
Gier macht freilich auch vor uns „kleinen Leuten“ nicht Halt. Nicht wenige hat es mit in den Strudel hinein gerissen. - Es wäre besser, wir würden zukünftig unsere Spargroschen ethisch zweckbestimmen, um damit soziale, ökologische oder kulturelle Projekte zu fördern. Da winkt uns zwar nur eine bescheidene, dafür aber eine sichere Rendite. Und einen Bonus gibt’s gratis hinzu: das gute Gewissen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5167
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