Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Der zweite Weihnachtstag, das ist Besuchstag. In meiner Kinderzeit kam am zweiten Weihnachtstag immer Tante Elfriede und brachte Geschenke mit, einen ganzen Waschkorb voll. Und Oma wurde abgeholt. Das brauchte immer ein bisschen, denn sie war nie rechtzeitig abreisefertig, und wir Geschwister fühlten uns fast so wie das Christkind, das da in der Krippe lag: Weihnachten stehen wir im Mittelpunkt und alle kommen zu Besuch: Die Hirten auf dem Felde, Oma und Tante und manchmal kam auch ein selten gesehener Onkel aus der Ferne.
Und dann wurde zuerst noch einmal gesungen und die Weihnachtsgeschichte wurde erzählt – und zwar ab der Stelle, wo es heißt: „Da sprachen die Hirten untereinander: ‚Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist…“ und dann wurden die Geschenke ausgepackt.
An Weihnachten kommt Besuch, jedenfalls früher war das so. - Und heute?
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich freue, wenn ich in diesen Tagen viele Menschen sehe, die unterwegs sind. Unterwegs, um Besuche zu machen. Und ich hoffe, dass das ein bisschen so ist wie früher: Ein volles Haus, voller fröhlicher Menschen, auch wenn das heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Und da werden auch die aufgesucht, mit denen man sonst im Jahr vielleicht nicht so viel zu tun hat oder haben will: Die bucklige Verwandtschaft und die, mit denen man sich vor langer Zeit entzweit hat.
Heute soll dieser Streit ruhen. Da soll auch mal vergessen sein, was dich und mich trennt, und da wird Kaffee getrunken und Plätzchen werden gegessen und es wird erzählt.
Und mehr noch: Ich hoffe, dass auch die Besuch bekommen, die vielleicht ganz einsam sind: Im Pflegeheim, im Krankenhaus oder einfach vergessen, weil die Verwandten zu sehr mit sich selber beschäftigt sind. Dass auch sie etwas davon erleben, von der Liebe Gottes, die mit diesem Kind in der Krippe in die Welt gekommen ist.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5134
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