Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ist sich ein Uhrwerk bewusst, dass es ein Uhrwerk ist? – Sicher nicht. Aber eine solche Frage stellt sich mir, wenn meinungsfreudige Hirnforscher propagieren, dass der Mensch rein mechanisch funktioniert. Schnell behaupten manche: Es gibt keinen freien Willen. Es steht fest, wer wen heiratet. Ein Mörder kann nicht anders und kann deshalb auch nicht verantwortlich gemacht werden. So behaupten manche. Der Kurzschluss scheint darin zu liegen: Wer sich mit dem Gehirn beschäftigt, also mit dem Organ für das, was Menschen denken, fühlen und handeln – der kann noch lange nichts darüber sagen, was ein Mensch wirklich denkt, fühlt und wie er handelt. Andere Hirnforscher hingegen stehen dazu: Wir können keine Gedanken lesen. Trotzdem ist es unglaublich aufregend, was im Kopf vorgeht. Neurowissenschaftler setzen viele technologische Mittel ein, um das Geheimnis des menschlichen Gehirns zu ergründen, um den ca. einhundert Milliarden untereinander vernetzten Nervenzellen auf die Spur zu kommen. Zu den beeindruckenden Fortschritten gehört, dass Blinde wieder sehen, indem Nerven verlegt werden. Die nicht vorschnellen Wissenschaftler stehen aber auch zu den Grenzen ihrer Forschung. Der Neurowissenschaftler Stephan Schleim bringt sie in dieses Bild. Er vergleicht den derzeitigen Stand der Forschung mit einer „Entdeckungsreise im Flugzeug um die Welt. Aus dieser Perspektive lässt sich zwar bestimmen, wo Wälder wachsen, wo es Berge und Seen gibt, welche Regionen bewohnt sind. Was dort am Boden wirklich vor sich geht, könnte man durch das bloße Überfliegen der Gegenden aber nicht bestimmen.“ So der Wissenschaftler. An ihre Grenzen kommt die naturwissenschaftliche Forschung auch dann, wenn es um solche Fragen geht: Wozu leben wir? Hat es überhaupt einen Sinn zu leben? Wie sollten wir leben? Wie leben wir mit dem Gedanken an den Tod? – diese Fragen kann die Hirnforschung nicht beantworten. Sie gehören zum Geheimnis des menschlichen Daseins. Zur Sehnsucht des Menschen nach Gott, dem Ursprung und Ziel von allem. Und ich glaube, um in unserer Welt zu bestehen, um die Spannung von „Größe und Elend“ unseres Daseins auszuhalten – dazu brauchen wir die Religion der Liebe. Zum Nachlesen:

Publik-Forum, Nr.18, September 2008: Geist, Gott und Gehirn – Was lässt sich von der Hirnforschung lernen? SWR Magazin, November/Dezember 2008: Was geht im Kopf vor? Ein Zwischenstand zur Hirnforschunghttps://www.kirche-im-swr.de/?m=5047
weiterlesen...