Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn man enttäuscht wird – manchmal tut das gut. Oft braucht man erst eine Enttäuschung um klar zu sehen, wie das Leben wirklich ist. Manchmal kann man sich erst richtig verhalten, wenn man zuvor enttäuscht wurde. Das gilt für das Zusammenleben von Menschen, das gilt auch für den Glauben.
Ich kenne Eltern, die hatten gehofft, dass ihr Sohn das Geschäft übernimmt – aber der ist Lehrer geworden. Lange Zeit haben sie gemeint, sie hätten ihr Leben lang umsonst gearbeitet. Was für eine Enttäuschung! Ein Mann hatte gedacht, er hätte festen Halt in seinem Glauben. Dann kam eine schwere Krise, Krankheit und Tod und auf einmal stand er ganz allein da. Und fand nirgends Halt und nirgendwo Trost. Und er war so enttäuscht – von seinem Glauben und von seinem Gott.
Solche Enttäuschungen tun furchtbar weh. Trotzdem sind sie nötig. Denn auf einmal zeigt sich: ich hatte die falschen Vorstellungen. Illusionen. Ich habe mir was vorgemacht. Jetzt bin ich enttäuscht – und sehe endlich klar und kann versuchen, ja zu sagen. Ja zu der Wahrheit, die ich so lange nicht sehen konnte. Weil ich sie nicht sehen wollte. Weil ich andere Vorstellungen und andere Wünsche hatte:
Natürlich, es macht einen traurig, sich von seinen Träumen zu verabschieden. So traurig, wie die beiden Männer es waren, von denen die Bibel erzählt, wie ihr Glaube ent-täuscht wurde. Sie hatten auf Jesus gehofft. Mit ihm würde alles besser werden. Ein neuer Anfang für ihr Land und für sie alle: Mit ihm würde er kommen, der Wandel. Dafür hatten die beiden Männer alles aufgegeben. Und dann kam die große Enttäuschung: Jesus hatte es nicht geschafft. Er hatte verloren. Seine Gegner hatten ihn hinrichten lassen. Jetzt war alles aus.
Da trafen sie einen dritten, dem sie ihre Geschichte erzählen konnten. „Wir hatten gehofft, er wäre es, der uns von unserem Unglück erlösen würde!“ sagen sie ihm. Und der Fremde redet mit ihnen. Kehrt bei ihnen ein, isst und trinkt mit ihnen. Und die Männer begreifen auf einmal: wenn wir beieinander bleiben, zusammen leben und arbeiten, dann ist Jesus bei uns. Da kriegen sie neuen Mut. Sie begreifen: wenn wir füreinander da sind, dann ist Gott bei uns. Und die Welt kann anders werden. Sogar unser Land kann anders werden, weil wir anders geworden sind.
Eine schwere Ent-Täuschung hatten sie erlebt. Und sehen jetzt klarer. Keine Illusionen mehr. Sie machen sich nichts mehr vor. Aber Gott ist bei ihnen. Und das Leben kann neu anfangen.
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