Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Ich sehe was, was du nicht siehst.“ Wahrscheinlich kennen Sie das. Da wählt eine Person sich einen Gegenstand und sagt, welche Farbe er hat. Die anderen müssen dann erraten, was es ist. Dann kommt es vor, dass man alles um sich herum nach gelb absucht. Und plötzlich fallen einem ganz viele gelbe Sachen auf, die man so vorher noch nie gesehen hat.
Ich mag dieses Spiel. Weil einem Dinge auffallen, die man sonst gar nicht wahrnimmt.
In der Bibel gibt es eine ähnliche Situation. In der sagt Gott:
„Siehe, ich mache neues. Jetzt wächst es auf. Erkennt ihr es denn nicht?“(Jes 49,19)
So redete Gott mit seinem Volk Israel. Und es kommt mir ein bisschen so vor, als wollte Gott „Ich sehe was, was du nicht siehst“, mit ihnen spielen. Gott will, dass die Menschen genau hinschauen und etwas Neues entdecken.
Das ist ganz schön viel verlangt. Schließlich lebten die Israeliten zu der Zeit im Exil. Sie waren aus ihrem Land vertrieben worden und mussten jetzt in einem anderen Land zu Recht kommen. Da mussten sie wirklich genau hinschauen, wenn sie erkennen wollten, dass es auch noch anderes gab, als das, was sie jeden Tag erlebten. Und genau das wollte Gott erreichen.
„Siehe ich mache Neues. Jetzt wächst es auf. Erkennt ihr`s denn nicht?“
In der evangelischen Kirche ist das in diesem Jahr die Jahreslosung. Das heißt, diese Worte sind ausgewählt worden, um Menschen ein Jahr lang zum Nachdenken anzuregen. Oder besser gesagt: zum Hinschauen.
Die Jahreslosung fordert dazu auf, immer wieder das neue zu suchen.
Das ist auch heute gar nicht so leicht, finde ich. Nicht stecken bleiben in dem, was ist. Nicht denken, dass sich sowieso nichts tut in meinem Leben. Sondern jeden Tag erwarten, dass sich etwas ändern könnte. In jedem Tag danach suchen, was es Neues gibt. Das muss ich wahrscheinlich wirklich erst üben, wenn mir das gelingen soll.
Aber ich finde, es ist auch spannend diesen Blick zu üben und die Welt so aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Vielleicht finde ich ja auch ein paar Leute, mit denen ich das zusammen machen kann. Ab und zu zusammen „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist neu“ spielen und so lernen, genau hinzuschauen und zu erkennen, was sich tut im Leben.
Nicht alles werde ich dann Gott zuschreiben. Aber manchmal wird vielleicht etwas sichtbar werden, von dem ich dann sagen kann: „Ja ich erkenne es, hier hat Gott etwas Neues wachsen lassen.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=489
weiterlesen...