Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie öffnet man eine verschlossene Tür? Ja, wie wohl, mit einem Schlüssel natürlich. Oder auch nicht. Immer öfter braucht man dazu etwas anderes, eine Chipkarte oder eine Zahlenkombination oder ein ganz bestimmtes Wort. Beim Bankautomaten funktioniert das so und in Hotels, und sogar in manchen Privathäusern hat der Schlüssel mittlerweile ausgedient.
Bei meinem Computer im Büro ist das auch so. Er ist mit einem Passwort geschützt. Und ohne das läuft gar nichts. Wenn ich morgens anfange zu arbeiten, muss ich also erst mal dieses Wort eintippen. Und wenn ich tagsüber die Arbeit kurz unterbreche, will der Rechner wieder wissen, wie denn mein Passwort heißt, sonst erkennt er mich nicht mehr. Und immer, wenn ein halbes Jahr vergangen ist, will er ein neues Passwort haben, aus Sicherheitsgründen.
Wie mein Zauberwort heißt, soll niemand wissen, ich suche es selbst aus. Nun könnte ich natürlich irgendwas nehmen, was mir halt gerade so einfällt, den Namen meines Lieblingsparfums vielleicht oder die Marke meines ersten Autos. Ich hab’s anders gemacht. Ich dachte mir, wenn ich ein Wort schon fünfmal am Tag eintippen muss, dann soll es wenigstens auch eine Bedeutung haben.
Das Passwort, mit dem ich im Augenblick arbeite, hat für mich eine Bedeutung. Es ist ein einzelnes Wort aus einem kurzen Gebet, das mich schon lange begleitet. Und immer, wenn ich dieses eine Wort schreibe, liegt da gewissermaßen das ganze Gebet drin: mein Passwort wird mir zum Stoßgebet. Ich erinnere mich selbst an das, was mir wichtig ist, und vertraue das, was auf mich zukommt, erstmal Gott an. Dann erst fange ich an, die Aufgaben des Tages zu erledigen.
Mich stärkt das, wenn in meinen Arbeitsalltag immer wieder solche kleinen Gebetssplitter eingestreut sind. Ich kann dann besser Abstand halten und verbeiße mich nicht so leicht in Arbeiten, die mir schwer fallen.
Demnächst wird es wohl wieder so weit sein, und mein Computer möchte, dass ich ihm ein neues Passwort sage. Dann kann ich wieder überlegen, womit ich im nächsten halben Jahr in den Tag starten möchte. Ich bin sicher, mir fällt etwas ein – ein Wort, das zum Schlüssel wird, nicht nur für den Rechner, sondern auch für mich.


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