SWR1 3vor8

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Vor 19 Jahren haben die Menschen mit Kerzen demonstriert. In Leipzig fing es an, in der Nikolaikirche. Von da aus gingen Tausende auf die Straße. Flackernde Kerzen gegen die Dunkelheit. Das war nicht viel. Und doch haben diese Demonstrationen das Unrechtssystem zum Einsturz gebracht. „Mit allem haben wir gerechnet,“ soll ein Stasi-Offizier damals gesagt haben, „nur nicht mit Kerzen und Gebeten.“ Am 9. November blieb ihnen nichts anderes mehr übrig, sie haben die Grenze geöffnet. Die Menschen in der ehemaligen DDR waren frei.
Heute vor 70 Jahren gab es keine Demonstrationen. Niemand hat Kerzen angezündet, kaum einer hat gewagt, den Mund aufzumachen. Da hat sich die Finsternis ausgebreitet. 1400 Gotteshäuser, 1400 Synagogen wurden zerstört, jüdische Nachbarn wurden gedemütigt und verprügelt, 30.000 verhaftet, fast 500 getötet. Nur in dieser einen Nacht von heute auf morgen, vor 70 Jahren. Was danach kam, war jahrelange Finsternis, Gewaltherrschaft, Massenmord, Krieg. Wo nicht genug Lichter sind, kommt das Verderben, schleichend, wie ein Dieb in der Nacht, sagt die Bibel. So jedenfalls steht es in einem Brief an die ersten Christen (1. Thess 5, 1-6). Daraus wird heute in den Gottesdiensten vorgelesen, die fast überall als Gedenkgottesdienste an die Reichspogromnacht vor 70 Jahren begangen werden.
Wo nicht genug Lichter sind, da kommt das Verderben. Aber, schreibt Paulus der Christengemeinde von damals: „Ihr alle seid Kinder des Lichts“. Und er bekräftigt das noch einmal und schließt sich mit ein: „Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis!“ Christen können Licht sein für die Welt. Sie können sichtbar machen, was vorgeht. Und sie können zeigen, was dahintersteckt. Manchmal reicht das schon, wenn man die Dinge öffentlich macht. Ins Licht holt, was andere gern im Dunkeln lassen würden. Machenschaften und Mobbing, Ungerechtigkeiten und Zumutungen. Wenn das einer zur Sprache bringt und nicht dazu schweigt: dann hört es manchmal schon auf.
Christen vertrauen auf Jesus Christus, der hat von sich gesagt: Ich bin das Licht der Welt. Er hat gezeigt, wie Menschen miteinander umgehen sollen, damit das Leben für alle gut geht. Wo Christen sich auf ihn berufen und zur Sprache bringen, was das Leben verdunkelt – da wird es hell.
Wo einer ein Licht anzündet, finden viele sich wieder zurecht, die die Orientierung verloren haben. Und ein paar flackernde Kerzen können viel in Bewegung bringen. Es gibt Beispiele dafür. Gott sei Dank. Und es ist heute noch nötig. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4825
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