Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Neue Ideen bringen frischen Wind ins Leben. Wer aber mit neuen Ideen kommt, wird nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen. Besonders dann nicht, wenn die neue Idee das Althergebrachte in Frage stellt.
In vielen Gremien, weltlichen wie kirchlichen, geschieht deshalb oft etwas Merkwürdiges, wenn jemand mit einer neuen Idee kommt. Eine Moschee ins Stadtgebiet? Das geht bei uns nicht.
Evangelische und Katholische feiern gemeinsam einen Abendmahlsgottesdienst? Das kannst Du vergessen! Die Zeiten sind vorbei! Den Erlös aus unserem Vereinsfest ganz für die Obdachlosenhilfe verwenden? Das haben wir noch nie so gemacht!
Das geht bei uns nicht! Das haben wir noch nie so gemacht! Wo kämen wir denn da hin? Solche Sätze sind echte Totschlagargumente. Killerphrasen. Sie nehmen den Wind aus den Segeln. Machen das Gegenüber mundtot. Sie nehmen nicht wirklich das Gespräch auf. Sie brechen es ab, bevor es begonnen hat.
Es ist bitter, auf eine gute Idee solche Gegenargumente präsentiert zu bekommen. Bitter und doch auch sehr menschlich. Denn Veränderungen machen Angst. Erst einmal. Weil alles Neue verunsichert. Beunruhigt. Neuland ist kein sicheres Terrain. Kein Mensch weiß, ob der Boden trägt und welche Folgen das Neue haben wird.
Und darum haben die, die etwas verändern wollen, es erst einmal ziemlich schwer. Und deshalb dauern Reformen oft wesentlich länger, als man sich das zuerst vorstellen kann.
Morgen, am 31. Oktober, ist Reformationstag. Das ist der Tag, an dem Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Reformvorschläge für die Kirche an die Schlosskirchentür in Wittenberg genagelt hat. Luther meinte: Die Kirche muss immer bereit sein, sich zu verändern. Nur so bleibt sie lebendig. Und nur so kann sie aus alten Fehlern lernen.
Luther damals hat das Neuland mutig betreten. Er war gar nicht so sicher. Aber er wusste: wie es ist, kann es nicht bleiben. Und er hat darauf vertraut, dass Gott die begleitet, die bereit sind, sich zu verändern. Ich finde: es hat sich viel Gutes entwickelt aus seinem Versuch, die Kirche zu erneuern.
In der Bibel steht, dass es da, wo der Geist Gottes weht, immer zu Veränderungen kommt. Martin Luther damals hat sich fest darauf verlassen.
Ich finde, wir Christen heute könnten das eigentlich auch.
Deshalb wünsche ich mir heute von den Kirchen vor allem das: keine Totschlagargumente, wenn es um Reformen in der Ökumene geht. Sondern die Bereitschaft, die anderen Christen genau so ernst zu nehmen, wie mich selbst. Und ich wünsche mir mehr Offenheit für neue Versuche, alte Gräben zu überwinden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4744
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