Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Geh aus mein Herz und suche Freud!“ So beginnt ein Kirchenlied. Es ist ein Loblied auf Gott. Ich habe es als Kind in der Schule gelernt und ich mochte schon immer seine fröhliche Melodie. Jetzt ist mir der erste Satz aus ganz anderen Gründen wieder eingefallen. Mich beschäftigt seit einiger Zeit wie oft ich mich am Tag freue und worüber eigentlich.
So vieles im Alltag ist schwierig und belastend. Politische Entwicklungen, berufliche und persönliche Erfahrungen können den Blick auf das richten, was schwer und anstrengend ist. Es ist leicht aus den Augen zu verlieren, wie viele Gründe es gibt, sich zu freuen.
„Geh aus mein Herz und suche Freud an deines Gottes Gaben!“ Zum ersten mal fällt mir auf, dass dieses Lied mich auffordert. Freude ist nicht einfach etwas, das ist oder irgendwie auf mich zukommt. Sich freuen ist etwas aktives – nichts, was ich passiv über mich ergehen lassen kann.
Öffne dich Herz und gehe die Freude suchen! Nachhilfe dafür bekomme ich von Luise Reddemann, einer Ärztin für Psychotherapie, die viel mit traumatisierten Menschen arbeitet.
In einem ihrer Bücher beschreibt sie die Freude als Weg. Das bedeutet, dass wir uns die kleinen Glücksmomente bewusst machen, die uns im Laufe eines Tages begegnen. Es geht darum, die kleinen Blumen im Geröll und im Sand entdecken zu lernen: Die ersten Sonnenstrahlen nach grauen Tagen. Das Lächeln eines Menschen. Die Leichtigkeit nach einem Spaziergang. Das leuchtende Gelb eines Feldes voller Sonnenblumen. Einen hilfreichen Satz. Ein Gedicht. Ein Gebet. Luise Reddemann empfiehlt, sich dafür ein „Freudetagebuch“ anzulegen. Ein schönes Buch oder ein Heft, in dem Sie jeden Abend die Freuden des vergangenen Tages eintragen können. Alles ist wichtig genug, darin festgehalten zu werden. Das können auch Bilder von geliebten Menschen sein oder schöne Naturphotografien. Wichtig ist, kein allgemeines Tagebuch zu führen. Weil dort auch die belastenden Dinge stehen und Sie jedes Mal über diese stolpern, wenn Sie sich ihre Freuden ins Gedächtnis rufen wollen. Als ausschließliches Freudetagebuch kann es mehr und mehr zu einer Kraftquelle werden.
Denn immer dann, wenn wir uns freuen, berühren wir eine Dimension, in der wir frei, leicht und selbstverständlich liebend sind, ohne dass es auch nur die geringste Mühe kostet.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4493
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