Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Antonia arbeitet beim Film. Sie ist für den Filmschnitt zuständig und so kommt es, dass sie immer wieder mit verschiedenen Regisseuren, Drehbuchautoren und Toningenieuren zusammenarbeitet. Bei jedem Film sind es andere Menschen. Immer ist die Zusammenarbeit intensiv, manchmal sind es über Wochen 10 bis 16 Stunden am Tag. Es ist eine kreative Arbeit, in der eine Rolle spielt, was die Beteiligten denken und fühlen, sehen und ausdrücken wollen. Für eine bestimmte Zeit kommen sie sich nahe. Antonia beschäftigen diese Beziehungen. Als sie anfing, beim Film zu arbeiten, hat sie die Mitarbeiter zum Abschluss immer zu einem Essen eingeladen. Sie wollte feiern, was geschafft war, sich verabschieden, für gute Kontakte danke sagen. Mehr als einmal hat sie die Erfahrung machen müssen, dass keiner gekommen ist. Eingekauft, gekocht, Tisch gedeckt – und dann keine Menschenseele. Nicht mal eine Absage hielten ihre Kollegen für nötig. Während Antonia sich an diese Erfahrungen erinnert und darüber redet, ist ihre Aufregung zu spüren. Wenigstens eine SMS müsste doch möglich sein oder eine kurze Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Antonia ist gekränkt, fühlt sich respektlos behandelt. Nicht nur beim Film kann es so zugehen. Viele klagen darüber, dass Menschen immer respektloser miteinander umgehen – in der Arbeitswelt, im Straßenverkehr, in den Schulen.

Respekt wünscht sich jeder. Das Bedürfnis, von anderen als Person wahrgenommen und berücksichtigt zu werden haben wir alle. Und – auch darüber herrscht Einigkeit: Respekt ist unerlässlich für gelingendes Zusammenleben.
Nur – Respekt fällt nicht vom Himmel. Respekt ist etwas aktives. Er zeigt sich in dem, wie wir uns anderen gegenüber verhalten. Das Wort hat seinen Ursprung im lateinischen respicio: Sich umsehen, umblicken, jemanden berücksichtigen, heißt es übersetzt. Im Fall von Antonia würde ein respektvoller Umgang bedeuten, dass die Kollegen ihr antworten auf ihre Einladung. Aufrichtig, verlässlich und verbindlich. Auch wenn sie ihr absagen. Das gilt grundsätzlich wenn Menschen im Kontakt sind, ob in Partnerschaften, zwischen Schülern und Lehrern oder in Arbeitsbeziehungen. Nichts ist schlimmer als keine Antwort zu bekommen. Wir Menschen sind darauf angewiesen, dass wir Antwort auf die Dinge bekommen, die wir in die Welt bringen. Antwort geben ist Kontakt, ist Respekt und Wertschätzung.
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