Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Sorgt euch nicht um euer Leben!“ ( Mt 6, 25 + Lk 12, 22)
Für mich ist das einer der provokantesten Sätze aus dem Evangelium. „Sorgt euch nicht um euer Leben!“ Der Satz ging mir nicht mehr aus dem Kopf, als ich im Juli kurz vor den Sommerferien plötzlich aufgeben musste, was ich geplant hatte. Eine Krise forderte mich heraus, drei Wochen Urlaub anders zu verbringen als ich dachte. Wie es danach weitergehen sollte, war ohnehin offen.
Und wie ich mich sorgte! Unendlich lang erschien mir die Zeit, die vor mir lag ohne zu wissen, wie ich sie füllen könnte. Noch dazu mit so viel Kummer. Ich wollte mich nicht darin vergraben. Gleichzeitig wusste ich nicht weiter. Ich war froh über jede Stunde, die vergangen war und gezwungen, ganz im Jetzt, im Hier und Heute zu leben. Mir bewusst zu machen, dass das Leben mich immer umgibt, auch in der größten Not. Gott ist immer und überall da: Die Erde trägt, die Sonnenblumenfelder blühen trotzdem, die Menschen, denen es nicht egal ist, wie es mir geht, lassen mich nicht fallen.
Ich war traurig. Gleichzeitig war ich offener als sonst und wurde beschenkt. Meine 14 jährige Patentochter überraschte mich mit ihrer ungewöhnlichen Aufmerksamkeit beim Stadtbummel. Ich hatte sie so vorher nicht erlebt. Meine Freundin zeigte mir einmal mehr ihre Treue und Liebe. Selbstverständlich konnte ich mehrere Tage bei ihr sein. Eine andere Freundin gab mir einen Prospekt über eine kreative Musikwoche am Lago Maggiore. In der Gruppe, die diese Woche gemeinsam verbrachte, gab es kurzfristig einen freien Platz. So ergab sich eins zum anderen. Ich lernte neue Menschen kennen und wurde schließlich noch eingeladen, einige Tage in den Bergen zu verbringen. Jede Begegnung erlebte ich kostbar und dankbar. Drei Wochen im Sommer – ganz anders als geplant, angefüllt mit neuem Leben.
Sorgt euch nicht um euer Leben! Einem Menschen das zu sagen, wenn er in Sorge ist, hilft oft nicht weiter. Schon gar nicht, wenn jemand kein Vertrauen hat in Gottes Wirken. Auch Menschen, die daran glauben, können in Krisenzeiten misstrauisch werden und zweifeln. Wer vor den Puzzleteilen seines Lebens steht und sie kaum mehr zusammenbringt, ist oft angewiesen auf das Glaubensbekenntnis von anderen. Für mich ist das Glaubensbekenntnis des Philosophen Blaise Pascal in diesem Sommer zur Erfahrung geworden: „Es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie ihm ganz überlassen.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4491
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