Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Gott ist sozusagen die Ruhe selbst. Gelassen und großzügig auch gegenüber denen, die nicht so sind, wie er es sich wohl vorgestellt hat. So gelassen, wie ich gern wäre. Wie viel leichter käme ich dann durchs Leben! Aber leider bin ich oft, im Gegenteil, verdrießlich und manchmal richtig böse, wenn die Menschen um mich herum mich ärgern. Und mache mir und anderen damit das Leben schwer. Der wird schon sehen, was er davon hat, den-ke ich mir und rede erst mal nur noch das Nötigste mit dem anderen. Bei nächster Gele-genheit zahle ich es ihm heim. Dann wird er sich überlegen, ob er noch mal so mit mir umspringt.
Ganz anders Gott. „Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Mt 5, 45) So hat ihn jedenfalls Jesus beschrieben. Gott sei Dank: Gott trägt einem nicht nach, was man versäumt oder falsch gemacht hat. Er zahlt nicht mit gleicher Münze heim und lässt die nicht fallen, die ihn enttäuscht haben. Gott behandelt auch die freundlich und zuvorkommend, von denen er eigentlich doch enttäuscht sein müsste. Auch die kriegen Sonne und Regen, damit sie leben können. Le-ben – und sich wenn nötig ändern. Dass Gott auch denen einen Platz an der Sonne gibt, die Fehler machen und sich verfehlen, das bedeutet ja sicher nicht, dass ihm das egal ist. Aber sie sollen doch die Chance haben, es anders und besser zu machen. Denn jeder hat seinen Platz in Gottes Welt. Eigentlich ist jeder wichtig. Und jeder soll die Gelegenheit haben, den Platz zu finden, an dem er richtig und wichtig ist.
So gelassen und großzügig wäre ich auch gern zu denen, die mich ärgern. Erstens, weil es ja sein kann, dass die anderen sich genauso über mich ärgern - und finden, ich müss-te mich unbedingt ändern, damit man es mit mir aushalten kann. Das relativiert meine Wut schon einigermaßen. Und zweitens, weil solche Gelassenheit den Kreislauf durchbre-chen würde, der weitergeht, wenn ich beleidigt nach einer Gelegenheit suche, es dem anderen mal richtig zu zeigen. Wenn ich freundlich bleibe, gegenüber dem unhöflichen jungen Mann neben mir, dann muss er nicht weiter so störrisch sein und unwillig. Dann kann er vielleicht auch freundlich antworten und wir kommen ein Stück weiter miteinan-der. Und drittens wäre ich gern gelassener zu denen, die mich ärgern, weil ich eigentlich nicht genauso sein möchte wie der, der mich geärgert hat. Ich will mir nicht von dem an-deren vorgeben lassen, wie ich reagiere. Sondern die Möglichkeit haben, es anders zu machen. Und vielleicht zu erreichen, dass es anders wird zwischen uns. Im Grunde geht das nur, wenn man gelassen bleibt, glaube ich. Ich hoffe, dass Gott mir solche Gelassen-heit schenkt.
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