SWR2 Wort zum Tag

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„Spätes Gedenken“, so der Titel einer Zeitungsnotiz. Berichtet wird über das Anbringen einer Gedenktafel vor der Kirche „Heilig Geist“ in Werder bei Potsdam mit den Namen von acht Jugendlichen in diesem Sommer. 1952 wurden sie wegen angeblicher Spionage von einem sowjetischen Militärgericht in Deutschland zum Tode verurteilt und dann in Moskau erschossen: zwei Studenten, eine Verkäuferin, ein Konditorlehrling, ein Maurer, ein Buchhalter, eine Stenotypistin und ihr Freund. Sie organisierten keinen Widerstand, hatten sich aber deutlich gegen die Herrschaft der sowjetischen Armee und der Sozialistischen Einheitspartei im Osten Deutschlands ausgesprochen. Ihren Einsatz für die Meinungsfreiheit bezahlten sie mit dem Leben. Jetzt, 56 Jahre später, soll eine Gedenktafel die Erinnerung an die damaligen Opfer wach halten. Ehemaligen Freunden, dem Kirchenrat und dem Pfarrer der Heilig-Geist-Gemeinde war das wichtig. Ihr Mut sollte nicht vergessen, ihre Geschichte weiter erzählt werden.
Mich hat diese Nachricht daran erinnert, dass das Christentum einmal als eine kleine Erinnerungs- und Erzählgemeinschaft entstanden ist. Die ersten Gemeinden lebten im Bewusstsein, dass sie anderen sagen müssten, dass Jesus von Nazareth ungerecht verurteilt und am Kreuz hingerichtet wurde, dass er aber von Gott nicht vergessen ist. „Gott hat ihn aus dem Tod auferweckt, dafür sind wir Zeugen“, so heißt ihr Bekenntnis. Und: Was Gott an Jesus gewirkt hat, das ist sein Wille für alle, die - wann und wo und warum auch immer - Opfer geworden sind. Die im Kräftespiel der Menschen Unterlegenen, Besiegten, sind bei Gott nicht vergessen, er lässt Gerechtigkeit widerfahren über den Tod hinaus.
Christen erzählen in ihren Gottesdiensten bis heute die Passionsgeschichte Jesu. Ihre Botschaft richtet sich gegen das Vergessen dessen, der zu Unrecht verurteilt und am Kreuz getötet wurde. Gleichzeitig schärft es den Blick für diejenigen, die zu allen Zeiten und auch heute die Opfer sind, die Leid und Unrecht erfahren, übersehen und vergessen werden sollen.
Die Ehrung der acht Jugendlichen von Werder bei Potsdam in diesem Sommer, 56 Jahre nach ihrem Tod, ist spät erfolgt. Zu spät ist es dafür nie.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4455
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