Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„In God we trust“ – auf Gott vertrauen wir. Ein schöner Satz! Und er steht wo? Auf jedem amerikanischen Dollarschein! Welch ein wunderlicher Widerspruch in einer Welt, in der doch genau diese Geldscheine die Richtung angeben, in der eher dem Geld vertraut wird als Gott.
Es gibt Wissenschaftler, die behaupten dass manche radikal-kapitalistische Gesellschaften ganz von Gott zum Geld umgeschwenkt seien, was sich schon an der Sprache der Finanzwelt belegen ließe. In der es nicht mehr um Erlösung geht, sondern um Erlöse. Wo es keinen Glauben mehr gibt, aber viele Gläubiger. Oder kein Credo mehr, stattdessen Kredit. Und in der Banken die Kathedralen des Kapitalismus sind, neben denen die wirklichen Kirchen wie Spielzeughäuser ausschauen.
Der besagte Wissenschaftler geht sogar so weit und behauptet, die Hostien der christlichen Religion wären durch Geldmünzen ersetzt worden. Weil sie wie silberne Oblaten aussehen würden, in denen sich ein unsichtbarer Wert verstecke.
Ganz so weit muss man ja nicht unbedingt gehen, aber es ist schon wahr, Gott und Geld sind scharfe Konkurrenten. Obwohl oder vielleicht gerade, weil das Geld im religiös kultischen Bereich entstanden ist. Mit einer eigentlich sehr humanen Note. Denn vor mehreren tausend Jahren wurden die Götter dadurch verehrt, dass ihnen Tier- und Menschenopfer dargebracht wurden. Statt der Tiere und Menschen wurden irgendwann kostbare Materialien wie Gold, Edelsteine und dann eben auch Goldmünzen geopfert. Also eine kultische Abgabe, ein Entgelt - und daraus entstand eben unser Geld.
Das Geld, das an sich wertlos ist und eigentlich nur so viel Wert hat, wie wir ihm geben. Ein Medium, das sinnvoll ist, wenn wir es recht und gerecht einsetzen, weil es eben ein Mittel zum Zweck ist. Zum Sparen, zum Tauschen und um Waren oder Tätigkeiten vergleichen zu können.
Ein Mittel zum Zweck das aber immer dann Probleme bringt, wenn es zum alleinigen Ziel und Zweck wird, zum Sinn des menschlichen Lebens. So wie es der römische Dichter Ovid in der Sage vom König Midas beschrieben hat: Dieser König wünschte sich dass alles, was er anfasst zu Gold wird. Sein Wunsch wurde ihm erfüllt. Aber sehr bald hat er darum gefleht, dass die Erfüllung seines Wunsches rückgängig gemacht werde. Denn wenn er essen wollte, wurde sein Essen zu Gold. Und wenn er Menschen anfassen oder lieben wollte, wurden sie hart, glänzend und kalt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4402
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