SWR Kultur Wort zum Tag
„Wie bitte? Du glaubst an Gott? Wie kann das denn sein? Das ist doch nur ein Märchen!"
Diese Fragen und solche Kommentare habe ich seit der Schulzeit immer wieder gehört. Ich versuche dann zu erklären, zu begründen. Oft fühlt es sich an, als müsste ich mich rechtfertigen. Anscheinend bin ich derjenige, der eine sonderbare Position vertritt. Oder ist es genau umgekehrt? Müssten diejenigen, die nicht an Gott glauben, erklären, wie sie dazu kommen?
Auf diese Idee hat mich der Philosoph Markus Gabriel gebracht. Er arbeitet als Professor in Bonn, und seine Bücher faszinieren mich. Gabriel argumentiert so: Millionen Menschen glauben in unserem Land an Gott. Und auch die großen Philosophen der letzten Jahrtausende haben die Frage nach Gott ernst genommen und nach Antworten gesucht. Es kann sich also nicht einfach um ein Märchen handeln, das sich überholt hat.
Auf die Frage „Wieso glauben Menschen an Gott?" würde Markus Gabriel antworten: Weil sie Momente erlebt haben, die sie tief berührt haben. Die Geburt eines Kindes, die Liebe zum Partner, aber auch der Verlust eines geliebten Menschen. In solchen Momenten erleben viele, dass es etwas gibt, das uns übersteigt. Da spüren Menschen: Wir bestehen nicht nur aus Molekülen und Alltagssorgen, sondern es gibt etwas, das tiefer geht. Etwas Göttliches.
Die meisten Atheisten sehen das anders. Viele von ihnen sagen: Die ganze Welt bedeutet eigentlich gar nichts. Denn im Universum regiert der Zufall. Es wird von ein paar Naturgesetzen zusammengehalten, doch eines Tages verschwindet alles in einem schwarzen Loch. Und mein eigenes Leben? Das ist auch nur eine kurze Episode, die bald niemanden mehr interessiert. So wie die Liebe ergibt sich alles aus der chemischen Reaktion bestimmter Hormone.
Markus Gabriel nennt das: Nihilismus. Kein höherer Sinn, den ich entdecken könnte. Diesem Nihilismus stimmen seit Jahrzehnten immer mehr Menschen zu. Denn es klingt modern und aufgeklärt.
Die Frage nach Gott ist aus philosophischer Sicht die Frage nach dem tieferen Sinn hinter allen Dingen. Die Frage, was mein Leben über den Alltag hinaus bedeutet. Und diese Frage, sagt Markus Gabriel, müssen wir beantworten – jeder auf seine Weise.
Bei Markus Gabriel geht es nicht um die Bibel oder die Kirche. Er fragt als Philosoph, was wir unter Gott verstehen. Mich hat er bestärkt: Von der Suche nach Gott lasse ich mich nicht abbringen. Und von nun an stelle ich die Frage auch umgekehrt: Was glaubst du eigentlich, wenn du nicht an Gott glaubst?
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