Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ich mag Frau Schwalbe. Ich habe sie bei einer Fortbildung kennen gelernt. Mit ihrem gesunden Selbstwertgefühl ist sie für mich ein echtes Vorbild. Sie macht sich nicht groß oder gibt damit an, was sie alles kann. Sie kennt ihre Stärken und ihre Grenzen. Deshalb lässt sie sich auch nicht schnell aus der Ruhe bringen, wenn sie jemand kritisiert. Sie ist eine Frau, die sich selbst mag und mit sich einverstanden ist. Das sagt sie sogar genau so.
Lange habe ich mich gefragt, was man dafür machen muss, um so zu sein. Mir war schon klar, dass es mir an Selbstwertgefühl fehlt. Eine Therapeutin hat mir das auch gesagt. Aber das hat mir nicht viel geholfen. Leider hat sie mir damals nicht gezeigt, wie ich daran etwas ändern kann.
Zu diagnostizieren, was fehlt, ist oft leicht. Das kenne ich auch aus anderen Bereichen. Die Diagnose für meine Schmerzen im Fuß hatte der Orthopäde sofort parat. Besserung oder gar Heilung dauern.
Ich habe über Jahre gelernt, meinen Wert zu spüren. Dazu habe ich Menschen gebraucht, denen ich vertraue. Freundinnen, Seelsorger, Kolleginnen. Mit ihnen habe ich darüber gesprochen, was ich kann; was mich ausmacht; was zu mir gehört; was mich geprägt hat. Dabei hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Ich habe einer Seelsorgerin erzählt, wie sehr ich die Kinder aus meiner Klasse mag. Am Ende hat sie gesagt: Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit. Fühlen Sie, wie Sie diese Kinder lieben und dass es Sie glücklich macht. Seitdem ist mir bewusst: Es ist kostbar, dass ich jedes Kind mag. Ich freue mich, die Kinder meiner Klasse begleiten zu dürfen. Jedes einzelne kennen zu lernen. Zu entdecken, wie ich sie unterstützen kann. Meine Liebe zu den Kindern ist eine meiner Stärken. Nach dieser Erfahrung habe ich mehr und mehr gelernt anzuerkennen, was mich stark macht. Was ganz spannend ist: seitdem fällt es mir auch leichter, offen meine Grenzen zuzugeben. Ich lebe leichter seitdem ich selbst spüren kann, was mich ausmacht. Ich fühle mich unabhängiger, weil ich weniger Bestätigung von anderen brauche. Und ich bin dankbar für die christliche Verheißung, die sagt: Jeder Mensch ist einzigartig und wertvoll. Mit dieser Verheißung bin ich aufgewachsen. Sie hat den Wunsch in mir geweckt, das selbst fühlen zu können. Heute kann ich es wirklich glauben.
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