Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

28OKT2025
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Man gewöhnt sich an alles! Aber wirklich. Als ich im Sommer im Urlaub am Meer war, bin ich deswegen richtig erschrocken. Da fahre ich einmal im Jahr mehr als 1000 km in den äußersten Westen Frankreichs, um am Atlantik zu sein. Weil ich dort glücklich bin. Weil die Weite und die Kraft des Ozeans mir guttun. Er ist so groß, so unendlich, dass ich irgendwie ganz natürlich spüre, wie begrenzt ich als Mensch bin. Und dass ich aufgehoben bin in einer größeren Wirklichkeit, die ich Gott nenne. Das alles wirkt so intensiv, dass ich wie auf Knopfdruck friedlich und gelassen werde. Wunderbar!

 

Und dann stelle ich in meiner zweiten Ferienwoche auf dem Wanderweg am Meer entlang fest, dass ich mich auch daran gewöhnen kann. Unglaublich. An diesem Tag ist mir aufgefallen, dass ich nicht einmal stehen geblieben bin, um zu staunen. Zuerst habe ich den Kopf geschüttelt über mich. Und dann bewusst entschieden, dass mir das nicht noch einmal passiert. Aber diese Erfahrung hat mich noch beschäftigt. Es ist ja tatsächlich so. Man gewöhnt sich an fast alles. Oft ist das gut so. Zum Beispiel im Supermarkt meiner Wahl. Da weiß ich, wo alles steht und der Einkauf ist schnell erledigt. Wie wertvoll das ist, merke ich immer dann, wenn alle paar Jahre dort alles umgeräumt wird und ich mich umgewöhnen muss. Ich finde das nervig und zeitraubend. Eben bis ich mich wieder an die neue Ordnung gewöhnt habe. Wenn an einem Tag für zwei Stunden der Strom ausfällt oder für mehrere Stunden das Wasser im Haus abgestellt werden muss, nervt mich das noch mehr. Inzwischen habe ich mir aber angewöhnt, in solchen Situationen innezuhalten und mir klarzumachen, wie luxuriös mir vieles zur Verfügung steht, wovon andere nur träumen können.  

In meinem Leben ist Vieles ganz selbstverständlich immer da. Meine schöne Wohnung mit Balkon, in der ich mich wohl fühle. Die Heizung im Winter. Dass ich essen kann, was mir schmeckt. Und ich ausreichend Geld zur Verfügung habe, um mir das leisten zu können, was ich brauche. Der wunderschöne Blick auf die Schwäbische Alb, den ich täglich habe. Meine freundlichen Nachbarinnen.

Es ist völlig in Ordnung, dass ich daran gewöhnt bin. Und gleichzeitig bin ich entschieden, viel bewusster wahrzunehmen, wie kostbar all das ist. Und dankbar dafür zu sein.

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