SWR Kultur Wort zum Tag
Als Kind habe ich diesen Tag immer herbeigesehnt. Jedes Jahr habe ich an diesem Tag meine kleine Spardose zur Bank gebracht. Viel war es nie, was ich da im Laufe eines Jahres zusammengespart hatte. Aber mir ging‘s ja vor allem um das Geschenk von der Frau am Schalter. Den kleinen Kalender mit den Landkarten wollte ich jedes Mal unbedingt haben. Auch das Spiel oder das Mäppchen mit den Buntstiften. Meist war ich sehr zufrieden mit dem, was ich als kleines Geschenk mitnehmen konnte. Am 31. Oktober, dem Weltspartag.
Ein Geschenk als kleiner Dank für meine Sparanstrengungen. Das ist wie ein kleines Spiegelbild einer ganz anderen Sparanstrengung, die auch mit dem 31. Oktober zu tun hat, dem Gedenktag der Reformation. An diesem Tag hat Martin Luther vor mittlerweile fünfhundertacht Jahren seine berühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen. Auch da ging’s um das Thema Sparen, wenn auch in ganz anderer Hinsicht. Sparen meint ja ursprünglich etwas bewahren oder verschonen. Im Zusammenhang mit Geld wird dieses also davor verschont, gleich ausgegeben zu werden. Wenn Gott spart, bewahrt er den Menschen davor, sich zu überfordern, ein fehlerloses, makelloses Leben zu führen. Ich bekomme mein Leben und seinen Wert einfach wie ein Geschenk zugesprochen. Wie das Kind, das seine Ersparnisse zur Bank bringt.
Der Gedenktag der Reformation, den wir heute begehen, ist also auch so etwas wie ein Weltspartag. Wenn der Mensch sein Vertrauen in Gott setzt, dann spart er sich den Versuch, es Gott allein mit seinem Verhalten recht machen zu wollen. Und mein Geschenk darf ich am Ende trotzdem mitnehmen, auch wenn ich nichts auf das Konto meiner guten Taten eingezahlt habe. Mitnehmen darf ich die Zusage, dass ich Zukunft habe. Dass ich mich einfach so meines Lebens freuen kann. Weil ich verschont bin. Ausgespart. In einem Lied heißt es im Blick auf Gott: „Weil du reichlich gibst, müssen wir nicht sparen!“ Anders gesagt: Weil Gott gespart und uns beschenkt hat, können wir großzügig mit uns und unseren Mitmenschen umgehen. Können wir großzügig unsere Gaben und Möglichkeiten einsetzen.
Ich feiere den 31. Oktober heute deshalb als doppelten Weltspartag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=43138