Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ganz ehrlich: fürs „Im-Stau-Stehen“ bin ich einfach nicht gemacht. Seit Wochen ist am Aichelberg die Autobahnauffahrt der A8 in Richtung Stuttgart gesperrt. Die Fahrbahn muss erneuert werden. Bis November soll das noch gehen. Nun gut, wenn es halt sein muss… Aber auf den sogenannten Nebenstrecken staut sich jetzt der Verkehr immer einspurig bis Kirchheim Teck. Das nervt. Ich lasse mich nicht gerne ausbremsen, und ich verliere schnell die Geduld, leider auch mit anderen Verkehrsteilnehmern.
Damit ich nicht schimpf wie ein Rohrspatz, habe ich mir ein paar Atemübungen antrainiert, die mir helfen sollen, ruhig zu bleiben. Ich beherzige damit auch ein biblisches Sprichwort: „Eine Geduldige ist besser als eine Starke, und wer sich selbst beherrscht, besser als eine, die Städte gewinnt.“ Laut sage ich es vor mich hin: „Eine Geduldige ist besser als eine Starke…“ Einatmen – Ausatmen. Aber es nützt alles nichts. Ich will Städte gewinnen und Strecke machen, und zwar in meiner eigenen, selbst definierten Geschwindigkeit.
Besser geworden ist es erst, als ich angefangen habe, das Gegenteil von dem zu tun, was alle machen: Statt nämlich jeden Morgen wieder frisch und neu in den Stau zu steuern, fahre ich jetzt erst einmal ganz gechillt in die verkehrte Richtung. Ein paar Kilometer zurück bis zur Auffahrt weiter oben in Gruibingen, und von dort aus auf eine fast leere Autobahn. Zuerst ist es mir richtig schwergefallen, etliche Kilometer in die falsche Richtung zu fahren. Aber es klappt hervorragend, und ich komme fast ohne Zeitverlust ans Ziel. Und was im Straßenverkehr so gut funktioniert, sollte doch auch in anderen Lebenslagen gelten. Statt sehenden Auges immer wieder dieselben Fehler zu machen, in den immer gleichen Streit mit einer Kollegin oder dem Nachbarn zu rennen, könnte ich mich auch erst mal wegdrehen. Abstand gewinnen. Strecke zwischen mich und die vor mir liegenden Probleme bringen. Vielleicht tun sich dann ja plötzlich ganz neue Perspektiven auf? Vielleicht entdecke ich auf einmal völlig neue Wege zum Ziel, die ich vorher überhaupt nicht auf dem Schirm hatte?
„Kehrt um! Kehrt um und ihr werdet leben“. Das ist auch so ein biblisches Sprichwort, das mich plötzlich voranbringt: Kehr dich ab von dem, was dir nicht guttut und entdecke das Leben ganz neu.
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