Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14OKT2025
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Ich bin unterwegs und sitze alleine in einem Zugabteil.

Wenig später kommt ein junger Mann in Soldatenuniform herein und fragt, ob noch frei ist. Ich nicke, und er setzt sich zu mir ins Abteil. Ich kenne niemanden, der bei der Bundeswehr arbeitet. Wahrscheinlich habe ich genau deswegen auch sofort meine Klischees im Kopf: Ein Soldat. Sicherlich ziemlich nationalistisch unterwegs. Und ich kann mir vorstellen, was für eine Partei der wählt.

Wenig später kommen wir ins Gespräch. Wir reden erstmal über die Deutsche Bahn, die Verspätungen und ob das Auto da nicht doch manchmal eine bessere Alternative wäre. Dann über den Krieg in der Ukraine und andere politische Fragen. Irgendwann fragt er mich dann, was ich eigentlich arbeite. Bei ihm ist es ja offensichtlich. Ich sage, dass ich katholischer Priester bin. Aber anstatt über den Zölibat und die katholische Kirche, reden wir einfach darüber, wie wir beten und was Gott in unserem Leben für eine Rolle spielt. Er erzählt mir nämlich, dass er Moslem ist und was sein Glaube ihm bedeutet. Obwohl wir religiös unterschiedlich sind, gibt es zwischen uns eine Verbindung.

Wir waren uns in manchen Punkten nicht einig. Vor allem, solange es um Politik ging. Aber wir haben uns zwei Stunden lang ganz wunderbar über Gott und die Welt unterhalten. Und was mir besonders gefallen hat, dass wir die Meinung des anderen gut stehenlassen konnten.

Der junge Soldat ist vor mir ausgestiegen, und als er weg ist, denke ich: „Verrückt...ich bin so in meiner eigenen Blase. Ich hab fast nur meinen Freundeskreis, Kollegen oder die Studierenden, mit denen ich arbeite, um mich. Selten habe ich Begegnungen wie die mit diesem Soldaten. Wo treffe ich denn sonst Menschen, die politisch und religiös ganz anders als ich ticken?“

Und da kommt mir ein Aspekt aus unserem Gespräch nochmals in den Sinn: Wie ist das mit der Bahn? Ist Autofahren manchmal wirklich die bessere Alternative? Nach diesem Gespräch ist mir klar: Nein, ist es nicht. Denn in meinem Auto treffe ich selten jemanden, der ein so ganz anderes Leben hat als ich.

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