Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
In einer Woche ist es wieder so weit: Dann findet in meiner Nähe das Krautfest statt und alles dreht sich ums Filderkraut. Ein Krauthobel-Weltmeister wird ermittelt, die Kinder zaubern Gesichter auf Spitzkrautköpfe und natürlich gibt es viele verschiedene leckere Krautgerichte: Krautwickel, mit Kraut gefüllte Rouladen, Schupfnudeln mit Kraut oder Krautkuchen.
Wussten sie, dass Kraut schon in der Bibel vorkommt.
Im Buch der Sprüche steht: Besser ein Gericht Kraut mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass. (Sprüche 15,17)
Welch passender Spruch zur Krautsaison. Hier geht es um viel mehr als nur um Herbstgerichte. Es geht um mehr als Gemüseliebhaber contra Fleischesser.
Es geht um das Atmosphärische, das bis zu einem gewissen Grad von den äußeren Umständen unabhängig ist. Es geht um den Geist, der in einem Haus lebt.
Der Mast-Ochse war zur damaligen Zeit das absolute Highlight der Saison. Fleisch kam nur selten auf den Tisch. Deshalb fieberte man auf dieses Festessen hin und wer nicht mitfeiern konnte, wurde zum Außenseiter.
Doch das luxuriöseste Essen ist nichts wert, wenn am Tisch schlechte Stimmung herrscht, eisiges Schweigen oder gar Feindseligkeit, wenn sich keiner für den anderen interessiert, oder wenn die Erwachsenen ausflippen, nur weil ein Glas Saft umgefallen ist.
Ich kenne Menschen, die mir erzählt haben: „Bei uns war nie viel Geld da. Wir haben einfach gelebt und im Urlaub haben wir bei der Großtante auf dem Hof gezeltet. Doch es war immer Liebe da und Zusammenhalt.“
Ich will die Einfachheit nicht glorifizieren. Wer bei Festen ausgeschlossen bleibt, weil kein Geld da ist, der kann hier nur müde lächeln. Genau wie jene, die die gedrückte Stimmung kennen, wenn vor dem Monatsende das Geld zuneige geht und nur noch Nudeln mit Ketchup auf den Tisch kommen.
Ob reich oder arm: Dahin sollte es uns ziehen, dass wir ins Miteinander investieren und auf Beziehungen setzen. Auch am Essenstisch. Denn erfahrene Liebe ist das, was im Leben wirklich trägt. Ich werde mich demnächst wieder mit frischem Sauerkraut eindecken. Und hoffentlich denke ich auch noch an den Spruch: „Besser ein Gericht Kraut mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass.“
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