SWR1 Begegnungen

05OKT2025
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Sr. Susanne mit Manuela Pfann copyright: Manuela Pfann

Ich bin Manuela Pfann und möchte mehr über den heiligen Franziskus erfahren und vor allem über seinen berühmtesten Text, den Sonnengesang. Sein Lied über die Schöpfung hat er vor genau 800 Jahren geschrieben. Er spricht darin voll Ehrfurcht von Sonne und Mond, von Feuer und Wasser, sogar von Krankheit und Tod - und nennt sie seine Brüder und Schwestern.

Das Kloster der Franziskanerinnen von Sießen in Oberschwaben ist ein perfekter Ort, um dem Sonnengesang auf die Spur zu kommen. Dort treffe ich Sr. Susanne Schlüter. Wir beginnen unseren Austausch ganz nach meinem Geschmack, im Klostercafé. Sie bestellt für uns eine Torte, die es nur in diesem Jahr gibt.

Wissen Sie schon, was Sie gerne hätten? (Servicekraft)
Ja, wir möchten gerne zweimal die Sonnengesangs-Torte. (Sr. Susanne)
Zweimal Sonnengesang. (Servicekraft)

Und dann kommt eine sehr leckere Kokos-Maracuja-Torte! Oben drauf eine gelbe Sonne aus Marzipan und am Rand ein Notenschlüssel aus Schokolade. Die Torte hat der Kloster-Konditor extra zum Jubiläum des Sonnengesangs kreiert. Und die kommt gut an, sagt die nette Dame im Service und lacht:

Und alle strahlen nach dem essen.

So geht’s uns auch! Gestärkt ziehen wir unsere Jacken an und brechen auf. Sr. Susanne nimmt mich mit in den Franziskusgarten direkt neben dem Kloster.

Früher war das eine alte Obstanlage und wir haben uns dann entschieden, hier einen Meditationsgarten zu gestalten. Und dann haben wir als Franziskanerinnen den Sonnengesang als Grundlage genommen.

Wir starten unseren Rundgang; über einen Serpentinenweg geht’s hinunter in den Garten.

Wir sind hier bei der Sonnenuhr, das ist ja die Ouvertüre von diesem wunderschönen Gesang um das Licht der Sonne.

Während ich auf der Markierung zwischen September und Oktober stehe und feststelle: die Sonnenuhr funktioniert, erklärt mir Sr. Susanne, unter welchen Umständen Franziskus den Sonnengesang geschrieben hat:

Das war nicht ein wunderschöner Maitag, blauer Himmel, Sonnenstrahlen, sondern am Ende seines Lebens. Er war fast erblindet, er konnte kein Tageslicht mehr sehen.

Umso erstaunlicher, was dann passiert ist:

Das Entscheidende ist, dass Lichtbilder in seiner Seele, die er von früher her gesehen hat, wieder aufgetaucht sind.

Franziskus war als Wanderprediger immer in der Natur unterwegs. Er hat die Schöpfung nicht nur geliebt, für ihn hat alles zusammengehört, Mensch, Natur, Tiere – und Gott. Und von genau dieser geschwisterlichen Beziehung erzählt er im Sonnengesang:

Die Schwester Sonne, sie ist schön und strahlend in großem Glanze. Dann die zweite Strophe. Bruder Mond und die Sterne, die erleuchten uns die Nacht. Und dann, Bruder Feuer, der uns erwärmt und erhellt, liebenswürdig, stark ist. Und dann beim Bruder Tod indirekt das Licht der Auferstehung

Wir stehen jetzt an einer Art Grabhügel, mitten im Garten. Für Franziskus gehört das Sterben selbstverständlich zu Gottes Schöpfung. Ich gehe rein in den Grabhügel. Nur wenige Schritte, dann ist es stockdunkel.

Franziskus lädt eigentlich in seiner Strophe dazu ein: Geh diesen letzten Schritt deines Lebens ganz bewusst. Gehe ihn im Vertrauen auf ein Du.

Ich gehe nur vorsichtig weiter, die Hände nach vorne ausgestreckt. Und dann stoße ich an eine Glasscheibe - und von oben fällt ein Lichtstrahl ein. Mitten im Dunkel des Todes also ein Schimmer Hoffnung.

 

Ich bin Manuela Pfann und gehe mit Sr. Susanne Schlüter durch den Franziskusgarten im Kloster Sießen in Oberschwaben. Der Sonnengesang des heiligen Franziskus hat sie und ihre Mitschwestern vor gut 20 Jahren inspiriert, diesen Garten anzulegen. Sr. Susanne organisiert Führungen und kümmert sich um die ziemlich große Anlage. Da ist die Ordensfrau – und studierte Biologin – in ihrem Element.

Ja, es ist wirklich ein Geschenk, das ich mir auch nicht erträumt hätte, meine naturwissenschaftliche Neigung - und die Schönheit der Schöpfung darin zu erkennen.

Ich spüre etwas von dem Glück, das sie bei ihrer Arbeit findet. Ob sie das Gefühl hat, Gott in diesem Garten begegnen zu können?

Ja. Ja. Ich spreche mit den Bäumen, sage „Oh Gott, jetzt ist es trocken. Hoffentlich kriegt ihr nicht den Käfer, den Borkenkäfer. Strengt euch ein bisschen an!“ Also ja, ich spreche mit den Geschöpfen auch so, als würde Gott mit mir sprechen.

Wir gehen weiter zu einem kleinen Weiher mit einem Wasserspiel. Sr. Susanne tritt auf den Holzsteg – und ich staune. Sie ruft und nach wenigen Sekunden kommen dutzende Karpfen angeschwommen. Die scheinen auf ihre Stimme zu reagieren. Und sie hält den Finger ins Wasser:

Die beißen jetzt nicht, aber die schnappen dann danach. Die sind recht zutraulich geworden.

Ich muss ein wenig schmunzeln und bin berührt: Sr. Susanne macht das, was vom heiligen Franziskus erzählt wird, sie spricht mit den Tieren, mit den Geschöpfen; weil sie sich ihnen nahe fühlt, eben wie eine Schwester.

Also die Geschöpfe sind nicht nur nebenbei, sie sind auch Türöffner für die Begegnung mit Gott.

Begegnung mit Gott und der Schöpfung, Ruhe finden im Garten, das wünschen sich die Franziskanerinnen für ihre Besucher. Von April bis Ende Oktober ist der Franziskusgarten für alle geöffnet. Und für manch einen ist er eine Oase auf dem Weg. Sr. Susanne erzählt mir von einem LKW-Fahrer:

Ich hab ihn dann mal angesprochen, weil ich ihn immer wieder gesehen habe. Und dann hat er gesagt, er macht lieber hier seine Pause. Der isst dann sein Vesperbrot, sitzt lang auf der Bank, läuft ein bisschen rum und dann fährt er wieder.

Unser Rundgang geht zu Ende. Ich bleibe noch eine Weile alleine im Garten, lasse mich von der Abendsonne wärmen. Mein Rückweg führt dann durch ein Labyrinth. Die Franziskanerinnen haben die Sonnengesang-Strophe über den Menschen so gestaltet. Es geht darum, dass wir unseren Platz finden in der Schöpfung. Die Worte von Sr. Susanne habe ich dabei noch im Ohr.

Geh nicht rückwärts, dreh dich nicht um den eigenen Kreis. Es gibt Koordinaten, die bleiben, die sind mir mit der Geburt mitgegeben. Und das gilt es auch anzunehmen. Also auf dem Weg bleiben. Und wenn du vorwärts gehst, kommst du an! Das ist die Botschaft des Labyrinths.

Und mit der mache ich mich dann auf den Heimweg.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=43041
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