SWR Kultur Wort zum Tag

10JUL2025
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Es war eine dieser wunderbar warmen Sommerabende. Wir haben mit ein paar Freunden im Garten gesessen, die untergehende Sonne betrachtet und über die kommenden Wochen geredet. Zeit der Aufbrüche: „Wir machen in diesem Sommerurlaub endlich mal wieder eine große Reise“, hat ein Freund erzählt, „Mexiko und Mittelamerika. Ich freue mich so, mal etwas anderes zu erleben.“ – „Und ich begleite unsere Tochter nach Frankreich zu ihrem großen Neuanfang“, sagt ein anderer Freund. „Wenn sie das Abitur endlich geschafft hat, dann wird sie dort ein Jahr lang als Au-pair arbeiten.“ Und mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: „Ich bin ihr Kofferträger in Paris und helfe ihr die ersten Tage, sich einzurichten.“  Ein dritter Freund berichtet: „Eine Weile war ich mir unsicher. Aber jetzt habe ich mich doch entschieden, den Job zu wechseln. Das ist gut für die Karriere. Und es ist gut für mich selbst – endlich mal etwas Anderes erleben. No risk, no fun.“ Wir erheben unsere Bierflaschen, stoßen an und lachen: „Auf die Neuaufbrüche!“

Auch ich lache mit. Und merke zugleich, dass ich ein bisschen neidisch werde. So etwas ganz Großes habe ich in diesem Sommer nicht vor. Auch im Job und privat stehen keine einschneidenden Veränderungen an. Nichts, was sich so cool erzählen ließe. Ich denke mir: „Neuaufbrüche haben irgendwie einen besseren Ruf, als einfach dazubleiben. Passt ja auch gut zu unserer Gesellschaft. Und zu unserer Wirtschaft. Da gilt: Verändere dich – oder verschwinde.“

Gerade, als ich anfange, in trübe Gedanken abzudriften, beginnt ein anderer Freund, vorsichtig zu sprechen: „Klar, aufbrechen ist cool. Aber ich bleibe auch gern mal da. Ich bleib gern dran an Sachen. Und an anderen Menschen. Weil ich sehe, was ich dadurch ermögliche. Wie sich Leben entfalten kann.

Unsere Tochter mit ihren 7 Jahren zum Beispiel fährt so fröhlich und selbstbewusst mit ihrem Rad durch unsere Nachbarschaft. Das geht nur, weil sie jedes Sträßchen genau kennt. – Was mich manchmal richtig langweilt, gibt ihr Sicherheit. – Oder im Job, da können die Neuen doch nur deshalb richtig loslegen, weil ich mich bei vielem auskenne und ihnen den Rücken freihalte“

Und ich denke mir: „So ist es. Auch Bleiben bringt Segen. Bleiben ermöglicht Wachstum und lässt Leben erblühen. So wie auch Gott an uns dranbleibt. Bei uns bleibt, nicht nur in unseren Neuaufbrüchen, sondern gerade auch in unseren Routinen. Gott bleibt bei uns. Und er schenkt uns den Blick dafür, wieviel Leben unser Dableiben ermöglicht.“    

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