Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16JUL2025
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Lena und Samir sind zwei Studienfreunde von mir. Lena kommt aus Stuttgart, Samir ist Syrer. Letztes Jahr haben die beiden geheiratet, und jetzt sind sie Eltern geworden. Sie haben lang überlegt, wie sie ihr Kind nennen sollen. Sie hatten eine ganze Liste an schönen Namen. Dabei waren auch viele Namen aus dem arabischen Sprachraum. Am Ende haben sie sich für einen Namen entschieden, der nicht zu außergewöhnlich klingt. Weil sie nicht wollten, dass ihr Kind – wie Samir – später Nachteile wegen seines Namens hat.

Dahinter stecken schmerzliche Erfahrungen. Bei der Wohnungssuche haben sie es nämlich selbst erlebt: Als Samir und Lena zusammengezogen sind, haben beide eine Anfrage beim gleichen Vermieter abgegeben. Lena hat eine Zusage bekommen, Samir nicht. Es könnte Zufall sein, dass er keine Zusage bekommen hat. Aber es gibt so viele ähnliche Geschichten … Was Samir hier passiert ist, war wahrscheinlich Rassismus. Nicht der Rassismus von Nationalsozialisten, die Unterkünfte von Geflüchteten anzünden. Im Gegenteil – und das halte ich für fast noch schlimmer. Hier zeigt sich ein Rassismus, der ganz tief in unsere Gesellschaft verankert ist. Einer, der sich darin zeigt, dass man unterbewusst Menschen mit deutsch klingenden Nachnamen mehr vertraut.

Rassismus ist schlecht. Darauf können sich viele einigen. Ob Rassismus aber ein Problem ist – dazu gibt es schon sehr unterschiedliche Auffassungen. Und wie er sich äußert. „Man muss es ja auch nicht übertreiben mit der Awareness.“ „Die Leute wissen dann ja gar nicht mehr, was sie sagen sollen.“ – das sind so Haltungen und Aussagen, die man schnell hört, wenn man auf alltäglichen Rassismus hinweist. Und ja: Es ist mühsam, sich alltägliche Handlungen, Vorurteile oder Sätze abzutrainieren, die bewusst oder unbewusst rassistisch sind. Es tut vielleicht manchmal sogar weh, einzusehen, dass Dinge, die man schon immer so gedacht hat, oder Sätze, die man schon immer so gesagt hat, vielleicht problematisch sind. Aber ich finde, all das ist es wert, wenn man sieht, was Samir mit Lena und ihrem gemeinsamen Kind – und viele andere – jeden Tag erleben. Namen und Aussehen sollten kein Grund sein, schlechtere Chancen im Leben zu haben.

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