SWR1 Begegnungen

06JUL2025
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Peter Annweiler trifft Denise Mawila 

Teil 1: Ein stilles und freies Leben mitten in Frankfurt

Manchmal ist mir alles zu viel: Zu viel Kontakt. Zu viel Anforderung. Zu viel Krisen in der Welt. Da will ich mich nur noch zurückziehen und sehne mich danach, dass es mal so richtig still wird um mich und in mir. Nur: Wenn es außen mal still wird, dann merke ich leider oft, wie laut es in mir ist – und wie viele Dinge mich antreiben.
Genau deswegen will ich Denise Mawila treffen. Die 55-Jährige hat nämlich Stille und Zurückgezogenheit zum Kompass ihres Lebens gemacht. Krass finde ich, dass sie das mitten in Frankfurt übt.

Für mich bedeutet die Zurückgezogenheit auch eine Fähigkeit, mit sich alleine sein zu können, sich selbst aushalten zu können, sich auch mit sich selbst zu konfrontieren. Das als was sehr Lebendiges zu erleben. Also ich bin gerne mit mir alleine und kann das sehr gut und brauche das eben auch für mich.

Denise Mawila ist alles andere als isoliert oder einsam. Sie ist verheiratet, sie ist in ihrer evangelischen Kirche engagiert und arbeitet als ehrenamtliche Seelsorgerin in einem Krankenhaus. Und sie wirkt auch nicht streng mit sich und anderen. Alles was sie versucht, ist: In der Stille verwurzelt sein. Sie will „eremitisch“ leben.

Wie sieht mein Alltag aus? Eben dass ich sehr viel Zeit alleine verbringe, ich auch nicht so viel soziale Kontakte habe, dass ich auch zum Beispiel kein Mobiltelefon habe. Ich habe jetzt nicht wie andere vielleicht, die sich Eremiten nennen, nen ganz strikten Tagesablauf. Ich sitze in der Regel 25 Minuten. Ja und Phasen, wo das aber auch ganz hinten runterfällt, sage ich mal, weil ganz andere Dinge mich mehr in die Stille bringen.

Eremiten – die habe ich mir bisher vorgestellt als Einsiedler in der Wüste. Denise Mawila lebt dagegen mitten in der Großstadt.  Sie übt sich ganz stimmig darin, „nichts“ zu tun und im Moment zu sein. Deshalb schweigt, sitzt und betet sie viel.
In der Begegnung mit ihr lerne ich: „Eremitisch“ – das ist: Aussteigen aus dem Haben, Machen und Müssen. Einsteigen in ein „einfaches“ Sein und Wirken. Und diese spirituelle Sehnsucht haben in meinen Augen heute viele. Denise Mawila beeindruckt mich, weil sie dieser Sehnsucht so undogmatisch nachgeht.

Ich könnte das natürlich jetzt auch vielleicht in ähnlicher Weise praktizieren und sagen, dass es jetzt meine Erholung oder Selbstoptimierung oder so. Aber für mich ist es eine Entscheidung einfach gewesen, zu sagen: Ich nehme dieses spirituelle Angebot meinem Tun gegenüber, weil es ist nicht so gewesen bei mir, dass ich mir überlegt habe: ‚Ach, ja,  ich würde gerne eine Eremitin sein. Oder ich möchte gerne irgendwie einen kontemplativen Weg gehen.‘ Sondern ich bin auf diesen Weg geraten.

Teil 2: Ein zurückgezogenes und zugewandtes Leben als Schwarze Deutsche

Ich habe mich irgendwann konfirmieren lassen und war da ganz klar: Das ist mein Glaube! -Diese Klarheit hat sich dann auch irgendwie verflüchtigt, sowie das häufig der Fall ist … Aber ich bin dann wieder dahin zurückgekommen. Wenn ich das irgendwann mal gewählt habe, dann setze ich mich jetzt damit auseinander – und beiß mir daran die Zähne aus. So ist das einfach wie ich gestrickt bin, würde ich sagen.

Auf ihrem Weg hat sie ihr Wirken als Kreative und Lehrende für Tanz in eine innere Bewegung verwandelt und sich dabei besonders an einer christlichen „Landkarte“ orientiert.

Also das Mystische ist das, wo ich mich wiederfinde, und da vor allen Dingen, dass in der christlichen Mystik eben auch viele Frauen vertreten sind. Also ja, das ist für mich sehr -ja – „beheimatend“.

In der Mystik ist sie zu Hause. Das Mystische verbindet Gotteserfahrung mit dem Alltäglichen. Und in dieser Verbindung hat Denise Mawila auch gespürt, wer sie ist und welche Lebensaufgabe ihr zukommt.

Auch tatsächlich dadurch, dass ich eine schwarze deutsche Person bin, ein ungefragter unerbetener Auftrag, sich mit Vielem auseinandersetzen zu müssen und konfrontiert zu sein und letztlich daraus aber auch eine erweiterte Liebesfähigkeit entwickelt zu haben. Man ist da konfrontiert mit Zuschreibungen, mit Entmenschlichung. Ich sag jetzt mal so krass, wenn man nicht daran stirbt, wächst man darüber hinaus: Sich immer wieder trauen zu müssen und immer wieder rausgehen zu müssen. Also ne Stärke,eine größere Umarmung letztlich zu vollziehen.

Auch an schwierigen Erfahrungen zu wachsen - so, dass sie nicht dauerhaft bitter und aggressiv wird. Was für ein Richtungswechsel!  - Ich stelle mir vor: Er ist das Ergebnis von viel Rückzug und Stille. Von viel Gottes- und Selbsterkenntnis. Und dabei hat Denise Mawila  in ihrem eremitischen Leben womöglich  „ganz einfach“ gespürt, Gottes Ebenbild zu sein.
Ganz und einfach sein. Und darin gottbezogen leben. Denise Mawila hat mir eine Ahnung davon gegeben, wie erfüllend das sein kann. Als ich nach Hause fahre, ist es stiller in mir und ich fühle mich mit einer großen Umarmung beschenkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42476
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