SWR1 Begegnungen

Christopher Hoffmann trifft den ehemaligen Fußballnationalspieler Arne Friedrich.
Legendär bleibt sein Tor im Viertelfinale der WM 2010 gegen Argentinien. Er spielte 246 Bundesliga-Partien, die meisten für Hertha BSC. Aber wie war das als seine Karriere endete?
Wenn man als Fußballer aufhört, dann endet irgendwo ein Leben und dann endet irgendwo auch eine Identität. Was man am liebsten gemacht hat, was man am besten konnte – das ist dann ja vorbei und sich dann wieder neu zu entdecken von einer unglaublichen Flughöhe kommend! Ich hatte erst mit einigen Verletzungen zu tun, das war schon eine sehr, sehr schwere Zeit, ne Trennung kam dazu nach 14 Jahren mit meiner Partnerin. Und sich dann wieder neu zu erfinden war durchaus herausfordernd aber auch super interessant.
Denn so sehr Arne Friedrich Sport und Wettkampf bis heute liebt. Er weiß: Es gibt im Leben mehr als Fußball. Schon auf dem Höhepunkt seiner Karriere war er ein Sinnsucher - da ist er Kapitän bei Hertha BSC, trägt als Stammspieler das deutsche Nationaltrikot. Und erzählt mir, dass er trotzdem eine innere Leere gespürt hat, dass ihm etwas fehlte. Dann wird er angefragt, ob er als populärer Profifußballer mal eine Kinderstation im Krankenhaus besuchen kann…
Ich bin dann ins deutsche Herzzentrum der Charité in Berlin, hab die Kinderstation besucht und das hat mir irgendwie die Augen geöffnet, weil: Ich hab die Möglichkeit ins Krankenhaus zu gehen, Menschen zu besuchen, wieder in mein Leben zurückzukehren, und : Es gibt teilweise Familien, die wirklich sehr, sehr viel durchmachen müssen, die teilweise Jahre auf Station leben müssen, das muss man sich mal vorstellen – wirklich Jahre! –und das hat mich zum Reflektieren gebracht und da ist bei mir zum ersten Mal der Groschen gefallen.
Diese Erfahrung ist für ihn die Initialzündung eine Stiftung zu gründen und sich vom Leid anderer nicht abzuwenden, sondern ansprechen zu lassen- das gibt seinem Leben bis heute Sinn.
Für mich ist es einfach so schön auch diese Zeit nach dem Fußball in vollen Zügen zu leben und damit meine ich nicht immer an den Strand und hoch die Tassen, überhaupt nicht, sondern alle Aspekte des Lebens versuchen mitzunehmen, die schönen, aber auch dann die ganz schweren Momente und sich mit Menschen auseinanderzusetzen und ihnen Unterstützung anzubieten, die vielleicht nicht auf der Sonnenseite sind.
Menschen wie Luca, 21 Jahre alt, er hat eine sehr seltene Erkrankung, starke Schmerzen, sitzt im Rollstuhl. Arne Friedrich lernt ihn vor einigen Jahren im Kinderhospiz der Caritas Berlin kennen. Die Begegnung und das, was Luca ihm sagt, geht ihm unter die Haut:
Durch die vielen Begegnungen, die wir hatten und auch Telefonate, dass in dem Fall Luca, aber ich spreche da wahrscheinlich auch für viele andere, die sich im Hospiz befinden, dass die sich nicht als Teil der Gesellschaft fühlen. Das ist wirklich schlimm, das hat mein Herz gebrochen und ich habe dann mit Luca gesprochen und hab dann auch wirklich sehr, sehr viel Stärke und Optimismus in ihm wiedergefunden durch unsere Gespräche und dann hab ich gesagt: Luca, ich würde dir super gerne helfen mal deine Geschichte zu erzählen.
Und so plant er eine Veranstaltung, bei der Luca vor Publikum seinen Blick auf das Leben schildert. Aktuell arbeitet Arne Friedrich mit seiner Stiftung an einem Kinderbuch, in dem Menschen aus dem Hospiz ihre Geschichte erzählen. Es will kranken Kindern und deren Eltern eine Stimme geben. Und auch in seinem eigenen Podcast „From done to dare“ gibt Arne Friedrich regelmäßig Themen einen Platz, die sonst zu oft tabuisiert werden.
Ich treffe Arne Friedrich in Berlin, wo er lebt. Von hier aus reist er auch immer wieder in die Welt. Zuletzt nach Ruanda, wo er eine von Frauen geleitete Kaffeefarm besucht. Die Bohnen von dort lässt er rösten und verkauft den Kaffee, von dem die Produzentinnen gut leben können. Warum ist ihm fairer Handel wichtig?
Fair trade ist ein Thema, das sehr, sehr wichtig ist, ich meine jetzt nicht nur was die Arbeitsbedingungen angeht, sondern auch was Ökologie angeht. Die Klimathemen, das interessiert die Menschen nicht mehr so: wenn man so denkt, ist es komplett falsch aus meiner Sicht.
Nachhaltig handeln, die Erderwärmung begrenzen. Das liegt Arne Friedrich am Herzen. Und dann ist er noch als Sportbotschafter unterwegs - etwa in Kiew in der Ukraine, wo er den Menschen zeigen will: Wir haben euch nicht vergessen. Woher nimmt der 46-Jährige die Kraft für sein Engagement? Er hat da ein ganz eigenes Morgenritual: Erst geht er nach dem Aufstehen in die Stille. Dann hüpft er in die Eistonne, diesen Tipp hat er von seinem Kumpel und früheren Kollegen André Schürrle bekommen. Aber er tut nicht nur was für seinen Körper, denn:
Was ist der Mensch? Woraus besteht der Mensch? Wir bestehen ja nicht nur aus der Hardware, wir bestehen ja nicht nur aus dem Körper, sondern wir bestehen auch aus dem Geist, aus der Seele.
Und deshalb liest er jeden Morgen in der Bibel. Am liebsten in den Weisheitsbüchern Salomos. Und dann aber auch im Neuen Testament. Warum?
Ich glaube schon – das größte in dieser Welt , das ist meine persönliche Meinung, ist die Liebe – und dass man sich untereinander unterstützt. Wenn man die Lehre oder das Leben von Jesus betrachtet es geht ja darum zu lieben. Auch die ersten beiden Gebote –die wichtigsten Gebote: liebe Gott über alles und liebe deinen Nächsten über alles, das fasst ja alles zusammen. Und ich glaube die Kirche hat ein ganz großes Problem mit der Institution an sich, es ist ganz, ganz viel Mist betrieben worden, muss ich auch ganz klar sagen, davon nehme ich auch absolut Abstand, das find ich ganz schlimm. Aber diese christlichen Werte find ich sind unglaublich toll und da versuch ich mich dran zu halten. Ich muss auch dazu sagen: ich bin auch kein Heiliger, ich bin auch ganz normal ein Mensch, aber zumindest ist es für mich so die Leitlinie.
Und ganz besonders wichtig ist ihm ein Vers aus dem Buch der Sprichwörter im Alten Testament:
„Trust in the Lord with all your heart“, also „Vertraue in deinen Gott mit deinem ganzen Herzen“ (Spr 3,5) – als Sportler ist es ja immer so: ich möchte ja immer kontrollieren - das ist ja etwas, was ich über Jahre kultiviert habe und das loszulassen ist echt schwer und sich mal fallen zu lassen und zu sagen: ich vertraue jetzt einfach mal, das ist eine ganz große Herausforderung, der ich mich immer wieder stellen musste aber, mittlerweile ist es ein bisschen besser geworden.
Gottvertrauen- ein lebenslanger Prozess. Und damit er immer wieder daran erinnert wird, hat sich der ehemalige Fußballer, der anders als viele seiner Kollegen bisher keine Tattoos auf seinem Körper trug, nun zwei Symbole ausgesucht, einen Smiley und ein Kreuz:
Der Smiley an meinem Handgelenk soll mich immer daran erinnern einfach auch mal Quatsch zu machen und Kind zu sein , nicht immer alles so verkopft, sondern einfach mal nicht so viel nachdenken. Und das Kreuz an meinem linken Knöchel, das heißt: Ich bin geliebt, auch wenn ich nichts leiste.
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