SWR3 Gedanken

04JUL2025
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Ich war eine Woche lang im Ruhrgebiet in Essen. Und mir als Kleinstadtkind sind da die vielen Menschen aufgefallen, die einen Kaffeebecher vor sich stehen haben und um Geld bitten. Ich war völlig verunsichert, wie ich damit umgehen soll. Auf der einen Seite bin ich gerne solidarisch und helfe wo´s geht. Auf der anderen Seite möchte ich nach einer Woche Großstadt auch nicht pleite sein.

Aber Moment mal, macht mich das wirklich pleite? Ich habe mich dazu entschlossen, ein Experiment zu machen. Ich habe mir 20 Euro in Münzen wechseln lassen: 1- und 2-Euro Stücke. Jedes Mal, wenn ich unterwegs war, hatte ich mindestens 10 Münzen in der Hosentasche. Und ich habe mir folgendes vorgenommen: Ich möchte nicht jedes Mal lange überlegen müssen, ob sie es denn nun wirklich nötig hat, oder ob er sowieso nur Alkohol oder Kippen davon kauft, oder ob vielleicht irgendeine Profi-Bettler-Organisation dahinter steckt. Nein, ich gebe einfach jedes Mal bedingungslos eine Münze aus der Hosentasche, ganz egal ob 1 oder 2 Euro.

Das Experiment ist voll aufgegangen. Erstens bin ich ab da sehr entspannt durch die Stadt gegangen, weil ich weder nachdenken noch ausweichen musste. Zweitens hab ich nicht darüber nachgedacht, was jemand mit dem Geld macht. Denn es ist auch was wert, wenn jemand selbstbestimmt entscheiden kann, was er gerade am dringendsten braucht. Und drittens habe ich nach der Woche Kassensturz gemacht und gemerkt, dass man gar nicht so oft um Hilfe gebeten wird, als dass es mich ruinieren könnte.

Also habe ich gelernt: so ein paar Münzen in der Tasche ersparen mir Stress und tun den Menschen gut.

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