SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

15JUN2025
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3 ist gleich 1. 3 = 1??? – über so eine Gleichung würde wohl jeder Mathematiklehrer den Kopf schütteln. Aber sie drückt etwas von dem aus, was Christen heute am Dreieinigkeitssonntag feiern: Der eine Gott ist gleichzeitig drei Personen, nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und doch ist er nur ein einziger Gott… Die ersten Theologen, die Kirchenväter, haben versucht, sich das in Bildern vorzustellen. Sie sagen: Es ist, wie wenn man drei Kerzen zusammenhält. Dann werden drei Flammen zu einer großen Flamme, und es ist gleichzeitig nur eine und doch drei. Oder: Ein Baum besteht aus Wurzel, Stamm und Zweigen. Alle sind etwas eigenes, bilden aber doch den einen Baum.

Genau so begegnet mir der eine Gott in der Bibel in drei verschiedenen Personen. Und je nachdem, wie ich gerade unterwegs bin, ist mir die eine oder die andere näher: Gott, der Vater, als Schöpfer dieser wunderschönen Natur. Oder Jesus, der mir in ganz menschlichen Gesten Gottes Liebe zu uns zeigt. Oder Gottes Heiliger Geist, der mir immer dann begegnet, wenn sich meine Intuition meldet. Oder in Schönheit und Kreativität, die unsere Welt durchsichtig machen für etwas viel Größeres und Schöneres, als ich es mir vorstellen kann.

Diese Vielfalt zeigt mir: Gott ist nicht immer nur ein und derselbe. Er kann mir heute so und morgen so und übermorgen wieder ganz anders begegnen, und trotzdem ist und bleibt er der eine Gott.

Und nicht nur das: Diese unterschiedlichen Personen, in denen Gott mir begegnet, stehen nicht einfach nur isoliert für sich. Nein, sie sind ganz lebendig miteinander verbunden. Ich habe angefangen, über dieses ganze Thema nachzudenken, als ich mit einer Freundin spazieren war, die Ordensschwester ist. Ganz plötzlich hat sie mich gefragt: „Anna, wie stellst du dir den Himmel vor?“ Ich war zuerst ein bisschen überfordert von dieser Frage. Aber dann habe ich angefangen nachzudenken…

 

Eine Freundin hat mich beim Spazierengehen gefragt: „Anna, wie stellst du dir den Himmel vor?“ Zuerst wusste ich gar nicht, wie ich diese Frage beantworten soll. Und dann kam mir eine Idee: „Himmel“ ist für mich ein Sehnsuchtsort. Ein Ort oder eine Art zu leben, wie ich sie mir zutiefst ersehne. Nicht wie in der Erzählung vom „Münchner im Himmel“. Der wird mit einer Harfe in der Hand auf einer einsamen Wolke dazu verdonnert, den ganzen Tag „Halleluja!“ zu singen. Kein Wunder, dass er irgendwann unzufrieden ruft: „Luja soag i“, und dann wieder auf die Erde in ein Bierlokal flieht. Nein, ich glaube, der Himmel ist nichts, was mir aufgezwungen wird. Es ist ein Ort, dem ich nichts in dieser Welt vorziehen würde.

Wahrscheinlich hatte diese Vorstellung damit zu tun, dass es mir in der Zeit gerade nicht so gut ging. Es gab einen Menschen in meinem Leben, der mir viel bedeutet hat. Das war sehr schön, bis ich irgendwann gespürt habe: Da kippt was, ich fühle mich nicht mehr frei. Ich habe angefangen, genau zu überlegen, was ich ihm von mir erzähle und was nicht. Aus der Angst heraus, dass ich abgelehnt werden könnte, wenn ich etwas Falsches sage oder tue.

Es war in dieser Zeit schmerzhaft für mich zu erfahren, dass etwas so Schönes wie die Liebe so gefährdet sein kann. Dass es in dieser Welt passieren kann, dass sich die Liebe irgendwie verdreht. Dass einer sich so sehr dem anderen anpasst, dass er damit sich selber aufgibt.

In dieser Situation ist mir eine tiefe innere Sehnsucht bewusst geworden. Und deshalb habe ich der Freundin geantwortet: Ich stelle mir den Himmel als totale Liebe vor. So wie Vater, Sohn und Heiliger Geist ganz eng miteinander verbunden sind: Gott, der Vater, liebt seinen Sohn. Und der Sohn den Vater. Und diese Liebe ist sehr stark. So stark, dass diese Liebe selbst als Heiliger Geist spürbar wird, der zwischen den beiden hin- und herfließt. Und das Besondere daran: Die Drei sind so nah miteinander verbunden, wie das nur irgend möglich ist. Und trotzdem bleibt jeder ganz und gar er selbst, ohne sich auch nur im geringsten zu verbiegen. Sie bleiben frei füreinander, ohne jemanden von den Dreien in Eifersucht ausschließen zu müssen.

Das ist für mich „Himmel“: Mit Gott und Menschen zusammen sein, ganz nah verbunden mit ihnen und gleichzeitig auch verbunden mit mir selbst und meinen Eigenarten und darin frei – das wäre schön!

Ich glaube tatsächlich: Wenn wir Menschen gemeinsam mit Gott und untereinander immer mehr so zu lieben lernen, dann braucht keiner mehr Angst zu haben, dass er zu kurz kommt. Dann kann jeder Mensch ganz so sein, wie er ist, und ist gleichzeitig mit allen liebevoll verbunden. Und es braucht schließlich keine Feinde und keine Kriege mehr, denn in dieser liebevollen Verbundenheit kann man auch mal Fünfe gerade oder Dreie eins sein lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42364
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