SWR1 Begegnungen

09JUN2025
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Malu Dreyer copyright: Staatskanzlei Rheinland-Pfalz

Christopher Hoffmann trifft Malu Dreyer
Für die ehemalige Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz ist Pfingsten nicht irgendein Feiertag – als Christin kann sie sich für dieses Fest im wahrsten Sinne des Wortes begeistern. Denn ihr Glaube schenkt ihr Lebensmut. Ganz viel davon brauchte Malu Dreyer, als bei ihr 1995 die Krankheit Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Ihr half und ihr hilft: Gottvertrauen.
Also für mich ist es so, dass Gott irgendwie immer da ist, auch in Situationen, die sehr schwer sind. Und wenn man eine Diagnose erhält wie Multiple Sklerose - aber es gilt glaub ich für alle Schicksalsschläge oder schwere Erkrankungen – dann verliert man ja erst mal den Boden komplett unter den Füßen und man hat auch wenig Orientierung. Und das ist ein sehr schönes Gefühl zu wissen: Auch wenn man sich völlig verloren fühlt und vor allem die Gewissheiten des Lebens verliert, die Unbeschwertheit im Leben verliert, dass da einer ist oder etwas ist, was viel größer ist, viel umfassender ist, dass eben Gott da ist.
Die neue Realität aushalten und akzeptieren – das war auch für Malu Dreyer damals alles andere als einfach:
Dazu gehört ja ganz viel – man muss trauern, man darf auch wütend sein, diese berühmten Fragen, die zu nichts führen: „Warum ich? Warum jetzt?“ - auch das ist alles legitim und richtig in einem solchen Moment, viel weinen, viel der Wut auch Ausdruck geben - und irgendwann – ich zumindest kam dann zu einem Punkt – ich nenn es immer so: Wo ich dann den Schalter umlege und sage: Ok, es nutzt nichts gegen die Krankheit anzukämpfen- ich muss die Krankheit annehmen und mit dem Annehmen beginnt dann auch der Weg in die Zuversicht neu.
Das heißt aber auch: Hilfe annehmen. z.B. durch einen Rollstuhl. Ein Urlaub auf Lanzarote wurde für sie zum Schlüsselerlebnis.
An der Rezeption des Hotels lag ein Zettel rum, da konnte man alles Mögliche leihen vom Tauchsieder bis zum Rollstuhl und mein Mann sagte: „Hier kennt uns keiner, sollen wir das nicht mal ausprobieren?“ Ich war damals schon Ministerin. Und dann haben wir das ausprobiert und mein Mann ist mit mir wirklich quer durch Lanzarote mit diesem Rollstuhl bergauf, bergab und das war so ein tolles Erlebnis für mich, wieder die Freiheit zu haben mich über 100 Meter hinweg bewegen zu können und dann hab ich damals erkannt: Hilfsmittel sind etwas sehr, sehr Hilfreiches und Gutes. Auch für die Angehörigen übrigens.
Heute an Pfingsten feiern wir den Heiligen Geist. Und der wird ja auch oft der „Tröstergeist“ genannt. Gibt es für Malu Dreyer eine Bibelstelle, die Ihr besonders Trost spendet?
Für mich ist dieser Psalm 91 immer total wichtig, weil er irgendwie auch zu dieser Krankheit passt. Es heißt ja: „Er befiehlt seinen Engeln dich zu behüten auf all deinen Wegen – sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“. Und diese Stelle hat mich immer unheimlich berührt. Die Menschen, die MS haben oder eine ähnliche Erkrankung, wissen: Es ist wirklich schwer durch eine Fußgängerzone zu gehen und nicht an einen Stein zu stoßen, der einen selbst ins Stolpern bringt – also das hatte immer so eine doppelte Botschaft an mich, dieser Psalm –aber tatsächlich ist es dieser behütende Gott, dieser sorgende Gott, der tatsächlich dann auch eine große Rolle spielt.
Ich treffe Malu Dreyer in Trier. Hier lebt sie seit über 25 Jahren im so genannten „Schammatdorf“, einem Wohnprojekt, das Menschen mit und ohne Behinderung zusammenbringt. Gelebte Nächstenliebe ganz konkret – das hat für die Katholikin viel mit der Botschaft Jesu zu tun:
Und darum geht es ja glaube ich schon auch sehr stark im Leben eines Christen, einer Christin, trotz aller Probleme, Sorgen auch mit großer Zuversicht und Hoffnung nach vorne zu gehen und im Vertrauen auf Gott wirklich auch zu wissen: Man kann sehr viel bewegen.
Sie findet, dass wir als Gesellschaft auch wieder mehr auf das schauen müssen, was gelingt.
Ich glaube wirklich an die Kraft der Vielen. Wenn wir uns zusammentun, können wir auch in der Gesellschaft ganz viel bewegen. Ich glaube auch an das kollektive Gebet, da lächeln ja viele drüber, aber das ist tatsächlich etwas, wovon ich überzeugt bin, dass es auch eine Kraft hat in sich.
Kirche ist für sie deshalb Ruheort und Glaubensgemeinschaft. Soll sich die Kirche auch in politische Fragen einmischen?
Kirche muss sich zu politischen Fragen äußern – warum? Weil aus meiner Sicht die christliche Botschaft eine total politische Botschaft ist. Für Liebe und Nächstenliebe, für Solidarität sorgen - für mich ist das miteinander wirklich verwoben und verbunden. Und es wäre so schade und die Welt wäre ein ganzes Stück auch politisch ärmer, wenn Kirche und Christinnen und Christen sich nicht politisch äußern würden. Wir brauchen auch da die Kraft der Kirche im positivsten Sinne. Das ist nicht parteipolitisch, es ist politisch.
Auch Pfingsten kann Impulse setzen, woran es unserer Gesellschaft aktuell fehlt, findet Malu Dreyer:
Pfingsten ist für mich so ein schönes, freudiges, ermutigendes Fest -weil dieser Geist steht für mich wirklich für diese Kraft gebende Energie und auch die Sprache, die natürlich ne ganz große Rolle spielt, die auch vieles überwindet an Pfingsten: Plötzlich verstehen alle alles- das ist ja das, was wir uns in der Gesellschaft auch wünschen, dass wir nicht ständig aneinander vorbeireden, sondern uns einfach verstehen. Das ist auch etwas sehr Zuversichtliches, finde ich ganz persönlich und wir dürfen darauf vertrauen, dass dieser Geist, dass diese Energie auch in der Gegenwart da ist.
Und gibt es Momente und Situationen, in denen Malu Dreyer ganz persönlich gespürt hat, da hat der Heilige Geist in ihrem Leben gewirkt?
Viele haben mich ja oft gefragt im Amt: „Was gibt dir eigentlich so Kraft und Zuversicht?“ Und ich kann das wirklich: Mich mal fünf Minuten auf mich besinnen und diese Kraft und diese Energie auch echt spüren. Und da geht es mir dann so ein bisschen wie den Jüngern an Pfingsten, dass ich dann plötzlich so eine Klarheit habe und so eine Zuversicht in mir verspüre und das hat ganz viel glaub ich mit dieser göttlichen Energie zu tun.

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