SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Vor kurzem habe ich einen Zeitungsartikel gelesen, in dem der Journalist das Leben auf dem Land charakterisiert. Er schreibt: „Hier leben die meisten Kirchgänger und Schwenkgrillbesitzer“. Daran bin ich hängen geblieben. Was bitte sollte das heißen? Also – in meinen Augen ganz eindeutig: Hier leben - die Spießer; die, die in überholten Traditionen hängen geblieben sind; die alten weißen Männer und Frauen; halt die von gestern – eher von vorgestern – eben die Kirchgänger und Schwenkgrillbesitzer.

Ich kann Ihnen sagen: In mir hat’s angefangen zu brodeln. Aber nicht, weil ich auch einen Schwenkgrill im Garten stehen habe. Ich weiß, dass ich ein bisschen spießig bin. Da darf man von mir aus auch gerne drüber lächeln. Aber belächelt zu werden, weil ich zur Kirche gehöre? Da werde ich ärgerlich. Dafür habe ich viel zu lange selbst Gottesdienste gehalten. Und habe erlebt, warum Menschen in die Kirche kommen – in den Gottesdienst, in den Kirchenchor, den Männerkreis, die Krabbelgruppe. Wenn jemand aus dem Ort verstorben war, und die Angehörigen ihre Liebe nur noch in Gottes Hand legen konnten – aber genauso auch ihre Fragen oder womöglich ihren Zorn. Weil sie Trost gesucht haben. Oder auch einfach nur Gesellschaft gesucht haben – um nicht allein zu sein. Es sind Menschen gekommen, um ihre Ehe, ihre Partnerschaft oder ihre Kinder unter dem Segen Gottes zu bergen. Oder sie sind gekommen, um sich zu engagieren: im Besuchsdienst, im Krankenhaus, für Geflüchtete, für Menschen in finanziellen Nöten oder einfach nur für die Gemeinschaft am Ort.

Natürlich geht es auch um Tradition beim Gang in der Kirche, und vielleicht geht es auch mal ums „Sehen und Gesehen-werden“. In jedem Klischee steckt ein Körnchen Wahrheit - auch in dem von den „Kirchgängern und Schwenkgrillbesitzern“. Aber viel wichtiger ist eben doch etwas anderes. Das Selbstverständnis von Kirche ist ein anderes! Das Pfingstfest heute, ist da ein guter Fingerzeig, denke ich. Es feiert die Geburtsstunde der Kirche und ihren bleibenden Auftrag. Um den geht es heute in vielen evangelischen Gottesdiensten. Und warum Christen von Anfang an zusammengekommen sind und sich unter einem gemeinsamen Dach zu versammelt haben.

Eine biblische Geschichte aus dem Matthäusevangelium erzählt, wie Jesus mit seinen Jüngern allein unterwegs gewesen ist. Da wusste er schon: Irgendwann würden seine Freunde ohne ihn auskommen müssen. Und zwar ab dem Moment, an dem er an Himmelfahrt die Welt verlassen würde, und zurückgehen würde ins himmlische Reich seines Vaters. Aber ohne ihn - würde sich der Freundeskreis da nicht sofort auflösen?

Jesus stellt seinen Freunden deshalb eine Frage: „Wer, glaubt ihr, bin ich eigentlich?“ fragt er sie. Und einer aus der Runde, Simon Petrus, antwortet: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“.

Ich denke, in dem Moment hat Jesus gewusst, dass die Gemeinschaft der Freunde halten würde. Weil sie ein stabiles Fundament hatte: nämlich den festen Glauben und das grenzenlose Vertrauen seiner Freunde. Allen voran: Simon Petrus, zu dem Jesus sagt: „Simon, du bist Petrus, der Fels. Und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen.“

Eins ist klar, denke ich: Aus reiner Gewohnheit oder wegen einer angestaubten Tradition wären die ersten Christen wohl kaum zusammengeblieben. Und schon gar nicht hätte sich eine Kirche entwickeln können, die Jahrtausende überdauert hat. Es ist der Glaube an die lebendige Gegenwart des auferstandenen Jesus Christus, der die Kirche zusammenhält. Das gemeinsame Bekenntnis zu ihm. Gemeinsam das Leben nach Jesus Christus auszurichten - verbunden durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Die Menschen, die mir in der Kirche begegnen, die kommen jedenfalls nicht einfach nur aus Tradition oder weil sich das angeblich so gehört. Diese Menschen SIND die Kirche. Und ich mit ihnen ein Teil der Gemeinschaft Jesu Christi. Es ist eine Gemeinschaft, die trägt. Weil sie fest gegründet steht auf Vertrauen und dem felsenfesten Glauben der ersten Zeugen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42331
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