SWR Kultur Wort zum Tag

07JUN2025
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Weil es ein schöner Sonnentag war und ich Zeit hatte, habe ich mich auf mein Fahrrad gesetzt und bin ein paar Stunden durch die Gegend gefahren. In Dinkelsbühl, einer kleinen Stadt bei mir in der Nähe, habe ich eine Pause eingelegt. Die Stadt ist wunderschön. Die Verheerungen des Krieges sind an ihr vorbei gegangen, es gibt viele historische Gebäude, eine Stadtmauer und vor dieser einen schönen Park. Dort hab ich mich hingesetzt, mein mitgebrachtes Brot gegessen und die Sonne genossen. Eine Frau saß neben mir auf der Bank. Sie hatte Ähnliches im Sinn. Auf der nächsten Bank saß ein junger Mann, der beständig auf sein Handy geschaut hat. Das hat die Frau neben mir irgendwie gestört. „Sehen Sie den?“ hat sie zu mir gesagt „Der kommt von dem Ding nicht mehr weg. Der schaut die ganze Zeit nur auf sein Handy. Der sieht doch gar nichts sonst“. Genau wie der junge Mann auf sein Handy, schaute die Frau jetzt auf den jungen Mann. Sie konnte den Blick nicht mehr von ihm lassen. Sie war nicht verärgert, war nicht eine von denen, die über die Jungen schimpfen, die nur noch ihr Handy im Kopf haben. Nein, sie machte sich ernsthaft Sorgen. Es schien ihr leid zu tun, dass der Mann all das Schöne um sich herum gar nicht wahrnehmen konnte oder wollte. Schließlich ist sie zu ihm hingegangen und hat ihn freundlich angesprochen. „Entschuldigen Sie, aber ich muss Ihnen dass jetzt sagen: Sie schauen ja nur auf den Bildschirm. Sie sehen ja gar nicht, wie schön es hier ist, die Sonne, der Fluss, die Bäume, die Vögel. Schauen Sie sich doch mal um. Legen Sie das Ding doch mal weg. Das raubt Ihnen doch die Welt.“  Der junge Mann lächelte. „Sie haben ganz recht, aber sehen Sie: Ich arbeite gerade. Normalerweise müsste ich in meinem tristen Büro sitzen. Aber durch dieses Ding hier“, er hob sein Smartphone hoch, „kann ich hier draußen sein. Kann ich die Sonne spüren, die Vögel hören und das Rauschen in den Bäumen. Das Ding raubt mir nicht die Welt. Es schenkt sie mir.“

Die Frau hat sich dann zu dem Mann gesetzt und sie haben sich noch eine Weile leise unterhalten. Ich hab ihnen zugeschaut. Sie saßen da, die Vögel haben gesungen,  in den Bäumen rauschte ein leichter Wind. Der Bildschirm des smartphones spiegelte sich in der Sonne. So oft sind die Dinge ganz anders, als sie zunächst aussehen.

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