Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02JUN2025
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Feste feiern und die Höhepunkte des Lebens genießen – wie schön, wenn man Freunde hat, um solche Momente zu teilen. Aber wie sieht es aus, wenn einem nicht nach Feiern zu Mute ist, wenn’s einem schlecht geht? Wer von den Freunden und Bekannten ist dann noch da?

Bei uns im Dorf zeigt sich das auf dem Friedhof. Besonders dann, wenn der Musikverein spielt. In Freud und Leid zum Spiel bereit! Das steht als Motto auf der Fahne des Musikvereins. Und es steht nicht nur da – es wird auch gelebt.

Klar, der Musikverein spielt, wenn’s was zu feiern gibt – bei Dorffesten, Hochzeiten und an runden Geburtstagen. Aber eben nicht nur: Ich staune jedes Mal, wenn ich eine Beerdigung von einem Vereinsmitglied zu halten habe. Da stehen dann an einem normalen Wochentag um zwei Uhr mittags mindestens ein Dutzend Musikerinnen und Musiker auf dem Friedhof. Sie sind da, um bei der Trauerfeier zu spielen. Auch viele jüngere, die tagsüber eigentlich eingespannt sind: Schülerinnen radeln extra schnell von der Schule heim und schnappen sich ihre Querflöte, junge Eltern lassen die Großeltern die Kids vom Kindergarten abholen und eilen mit dem Klarinettenkoffer herbei. Und Angestellte nehmen den Nachmittag frei, um rechtzeitig mit der Trompete auf dem Friedhof zu sein.

So zeigen sie: Der Verstorbene oder die Verstorbene ist uns wichtig. Wir vergessen sie nicht, und wir lassen auch ihre Familie in diesem schweren Moment nicht allein. Und wir möchten etwas dazu beitragen, dass es ein guter Abschied wird.

Und tatsächlich finde ich es immer total tröstlich und bewegend, wenn bei der Beerdigung dann die feierliche Musik erklingt – und manchmal auch ein fröhliches Lieblingslied des Verstorbenen. Oft ist das ein Moment, in dem bei den Angehörigen die Tränen fließen – und der Schmerz einen Weg nach draußen findet.

In Freud und Leid zum Spiel bereit! Ich finde, das ist ein großartiges Motto für einen Musikverein. Und ich bin denen, die das mit Leben füllen, echt dankbar dafür. Genauso wie den Kirchenchören, Gesangvereinen, Posaunenchören und vielen anderen Musikgruppen landauf, landab, die da sind, wenn’s Trost braucht. Die es aushalten, an offenen Gräbern zu stehen und auch dort zu spielen oder zu singen.

Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Das hat der Apostel Paulus an die Christinnen und Christen in Rom geschrieben. Für ihn war das ein Markenzeichen der christlichen Gemeinschaft: dass man zusammen lacht und weint. Dass man zusammen feiert – aber einander auch in der Trauer nicht allein lässt. Genau so macht es unser Musikverein: In Freud und Leid zum Spiel bereit!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42290
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