SWR1 Begegnungen

Ich bin Manuela Pfann und ich möchte mehr wissen über den Trost und das Trösten. Ich beschäftige mich gerade viel mit dem Thema Abschiednehmen und trauern – und da gehört der Trost mit dazu, weil er so wichtig ist. Was kann uns gut trösten?
Auf der Suche nach Antworten, lande ich in der theologischen Hochschule Reutlingen bei Prof. Holger Eschmann. Er ist mittlerweile im Ruhestand und hat sich viele Jahre intensiv mit dem Thema Trost und trösten beschäftigt. Als Lehrer, aber natürlich auch als Pastor und Seelsorger.
Gibt es etwas, das immer hilft, wenn man mit Menschen zu tun hat, die Trost brauchen?
Also Nähe und Verständnis. Ich glaube, das kann man generell sagen. Es gibt keinen Trost, ohne sich in die Situation des Gegenübers einzufühlen. Das ist immer ein guter Anfang, aber dann ist es sehr individuell verschieden. Manchen hilft es, sich in der Natur zu bewegen, einen Spaziergang zu machen und dadurch wieder die Fülle der Schöpfung wahrzunehmen. Manchen hilft es, mit anderen zusammen Nächte durchzureden. Aber ich glaube tatsächlich immer hilft Zuwendung; und nie besserwisserisch sein, sondern sensibel auf das Gegenüber eingehen.
Holger Eschmann warnt aber gleich, das Trösten nicht falsch zu verstehen und dann womöglich ganz schnell beim Ver-trösten zu landen.
Es gibt ja so leichte Trostpflaster, dass Menschen sagen: Ach, wird schon wieder oder ist nicht so schlimm. Oder habe ich alles auch schon und viel schlimmer erlebt als du. Das kann tatsächlich in so kleinen alltäglichen Situationen, wo man sich nicht gut fühlt, auch mal helfen. Aber in einer wirklich trostlosen Situation, wo ein Mensch leidet, an was auch immer, an einer Diagnose, einer Krankheit, dem Verlust einer Person oder ähnlichem, da hilft das dann nicht weiter, sondern kann zynisch wirken, sodass die Person denkt, der hat gut reden.
Deswegen ist für Holger Eschmann beim Stichwort Trost, das biblische Verständnis dieses Begriffs ganz zentral – und da gehört beides zusammen, reden und handeln.
Ich kann nicht einfach so einen tröstlichen Satz hinschmeißen und ansonsten kümmert mich die Situation des Gegenübers nicht. Sondern dann sollte ich auch mithelfen, wenn was zu helfen ist.
Und so verstehe ich auch eines der sogenannten „Werke der Barmherzigkeit“. Die sind sowas wie die Kernaufgaben der Christen. Und eine davon lautet eben: „Trauernde trösten“.
Als Trost wird etwas empfunden, wenn ich vorher in einem Tief bin, welcher Art auch immer und dann etwas Tröstendes erfahre, erlebe, höre, sehe, schmecke.
Holger Eschmann versteht Trost also bei weitem nicht nur religiös oder spirituell.
Christlicher Trost ist für mich Essen und Trinken genauso. Oder eine gute Musik oder auch philosophische Gedanken, die trösten. Eine stille, stumme Umarmung ist manchmal viel mehr Trost als wohlgemeinte fromme Bibelworte.
Als ich ihn frage, an welcher Stelle in der Bibel ich etwas über den Trost lernen kann, da gibt er mir eine überraschende Antwort. Er nennt die Klagepsalmen. Einen mag er besonders gern, Psalm 13, wo es heißt:
„Warum, Herr, schweigst du so lange? Warum hast du mich vergessen? Wie lange soll ich noch mich ängstigen in meiner Seele, täglich?“ Da kommen schon sehr starke Ängste zum Vorschein, die dann tatsächlich in dem Psalm erst ganz am Schluss durch einen Zuspruch noch gelindert werden. Aber wichtig ist, dass sie erst mal rauskommt die Klage.
Ist das also schon Trost, wenn ich zunächst mal nur schimpfe, wütend bin und zetere wegen der Situation, in der ich gerade bin? Ja, sagt Holger Eschmann, auf jeden Fall. Weil klagen auch psychologisch betrachtet wichtig ist.
Diese Klage findet also heraus aus einem Selbstgespräch hin zu einem Dialog, zu einem Gebet, wenn man so will. Weil das, was an Gefühlen in einem steckt und einen bewegt bekommt durch das Aussprechen in der Klage eine Struktur. Man kann die Sachverhalte, die einen plagen, besser anschauen dadurch, dass man sie ausspricht.
Wo sind denn für ihn Orte oder Situationen, wo er Trost spürt, möchte ich wissen?
Wenn ich in ein Konzert von Bob Dylan gehe, da geht mir das Herz auf und ich gehe getröstet raus. Aber auch ein Gottesdienst könnte mich sehr trösten.
Ich verstehe es als Plädoyer dafür, sich einfach trösten zu lassen, wovon und von wem auch immer; und nicht alles aus eigener Kraft bewältigen zu wollen. Mir hilft manchmal, mit jemandem Essen zu gehen; ein anderes Mal ein ausführliches Gespräch. Und mich stärkt tatsächlich auch der Bibelvers: „Fürchte Dich nicht, denn ich bin bei Dir.“ Weil ich Gott da an meiner Seite spüre, auch bei Schwierigkeiten.
Holger Eschmann sagt, es ist schon gut, wenn man Kraft hat und Vieles selbst bewältigen kann …
… aber wenn man nur darauf vertraut, dann kann man doch trostlos werden in Situationen, wo man merkt, das hebt nicht mehr, wie der Schwabe sagt, das hält nicht mehr, das trägt nicht mehr.
Und auch deshalb schreibt Holger Eschmann gerne Trostkarten an Menschen in schwierigen Situationen, zum Beispiel vor einer Operation. Er schickt ihnen einen Zuspruch – egal ob der Adressat etwas mit der Kirche anfangen kann oder nicht.
Denn schon allein, dass einem etwas zugeschickt wird, dass ich die Karte bekomme, nährt den Aspekt: Da ist einer, der denkt an mich. Die Frommeren unter diesen Menschen sagen: ach ja, der betet für mich. Und die vielleicht weniger Frommen, die da religiös etwas unmusikalischer sind, die freuen sich trotzdem. Das ist Verbundenheit.
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