SWR Kultur Wort zum Tag
Kurz nacheinander waren der Patenonkel unseres Ältesten und seine Frau gestorben – beide in hohem Alter, beide eigentlich schwach und krank; aber eben doch sehr traurig, dass sie die Familie und uns als Freunde verlassen mussten.
Nach Auferstehungs-Gottesdienst und Beisetzung waren wir eingeladen zum Beerdigungs-Kaffee – ist ja immer schön, dass sich da Menschen treffen, die sich lange nicht mehr gesehen hatten – und jetzt gleich zweimal kurz hintereinander. Anderseits schade; weil: wir könnten uns doch eigentlich auch zu schöneren Anlässen wiedersehen, einfach so, ohne traurigen Anlass…
Aber gut – wenigstens jetzt ein paar Kontakte aufgefrischt, Erinnerungen ausgetauscht, noch mal gefragt, wie wichtig wir einander waren und sind. Und dabei lagen Papier-Servietten auf dem Tisch – mit einem dezenten Blumen-Schmuck und dem kurzen Satz: „Trauer ist liebevolle Erinnerung“. Ich fand das eine schöne Botschaft – einen freundlichen Hinweis oder sogar mehr: Trost vielleicht; oder sogar eine Einladung. Jede und jeder wird ja mit dem Tod eines lieben Menschen anders umgehen – eigentlich trauern die Menschen alle unterschiedlich. Manche wehren Trauer ab – weil sie das ein irgendwie schwächliches Gefühl finden; und wer mag sich schon schwach vorkommen oder sich aus dem Alltag herausreißen lassen. Viele zerfließen geradezu, verlieren eine Zeit lang jeden Halt, weil der oder die liebe Verstorbene so etwas wie die Mitte ihres Lebens war. Und die haben sie verloren…
Und dann gibt es die neunmalklugen Ratgeber, die dir sagen: Kopf hoch, geht vorbei, kommst du bald drüber hinweg. Solche Ratschläge eben – und das Wort Schläge ist da ganz richtig: Trauer braucht ihre Zeit – und da darf niemand dreinschlagen mit noch so gut gemeinten Hinweisen oder eben Rat-Schlägen.
Ich wünsche den Überlebenden oder Hinterbliebenen, dass sie sich alle Zeit nehmen und geben lassen, die ihre Trauer eben braucht. Die kann kurz sein – oder auch lang. Manche Trauer hört eigentlich nie auf – aber sie wird sich verändern. Wer aus diesem Leben gegangen ist, mit der oder dem bleibst du verbunden; mehr oder weniger, ein bisschen ähnlich wie die Verbindung auch im Leben schon war. Bald wird die Trauer aufhören, dich zu erdrücken; sie bleibt und wird – hoffenlich – zu liebevoller Erinnerung. Kann sein, dass die Papierserviette auf dem Beerdigungs-Kaffeetisch ein bisschen zu früh dran war – aber sie hat auf Dauer einfach recht: Trauer – auch bleibende Trauer – ist liebevolle Erinnerung.
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