SWR4 Abendgedanken

03JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„So ein Mist, das hätte jetzt echt nicht sein müssen.“ Das ist oft mein erster Gedanke, wenn mir ein Missgeschick passiert, oder wenn ich etwas nicht hingekriegt habe, was mir eigentlich wichtig ist. Wenn ich meinen Kaffeebecher direkt über die wichtigen Briefe verschütte oder wenn ich versprochen habe, mich bei einer Freundin zu melden und es doch nicht eingehalten habe. Dann ist sofort dieser Satz in meinem Kopf: „Das hätte dir nicht passieren dürfen.“

Solche fiesen Sätze zu mir selbst müssen aber nicht sein. Zumindest nicht bei Sachen, die unabsichtlich schiefgelaufen sind. Es hat eine Zeit gegeben da habe ich es geschafft freundlicher zu mir zu sein.

Das war vor ein paar Jahren, als ich regelmäßig beim sogenannten „Stockkampf-Training“ war. „Stockkampf“ klingt erst mal nicht so freundlich. Ich hab mich zum Spaß bei einem Schnupperkurs angemeldet und mich selber gewundert, was das bewirkt hat: Alleine das Aufwärmen! Wir mussten in der Gruppe jedes Mal folgende Übung machen: jeder hatte einen Stock rechts und einen Stock links in der Hand und sollte die Stöcke abwechselnd in die Luft werfen und direkt wieder fangen. Mit 60 Zentimeter langen Stöcken ist das anspruchsvoll. Jetzt kommt der entscheidende Punkt. Immer wenn ein Stock auf den Boden geknallt ist, sollte man kurz innehalten und einen der folgenden Sätze laut sagen: „Juhu, der Stock ist gefallen“, „Ich schenke mir ein Lächeln.“, oder „Ich darf Fehler machen“. Ich weiß, das hört sich seltsam an und in den ersten Übungsstunden hat sich das auch echt unangenehm angefühlt. Aber je öfter ich gehörte habe, wie die Stöcke bei den anderen geknallt sind und sie dann die positiven Sätze durch den Raum gerufen haben, desto sicherer bin ich selbst geworden.

Beim Training sind mir die freundlichen Worte mit jeder Woche mehr über die Lippen gekommen. Und irgendwann war das nicht nur beim Stockkampf so. Ich habe gemerkt, was es für einen Unterschied macht, wenn ich freundlich zu mir selbst bin. Egal in welchem Zusammenhang.

Eigentlich schade, dass ich mit dem Stockkampf längst aufgehört habe. Seitdem bin ich wieder strenger mit mir selbst geworden, eben in Sachen Fehlertoleranz. Also höchste Zeit, dass ich mal kurz anhalte, erstmal was Gutes in den Raum werfe und dann erst weiter mache. Wie damals im Training als die Stöcke mal hier, mal da auf den Boden geknallt sind. Denn ich darf Fehler machen, so wie jeder andere Mensch neben mir auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42262
weiterlesen...