SWR1 Begegnungen

25MAI2025
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Mariann Edgar Budde, Bischöfin von Washington und Christopher Hoffmann Copyright: Christopher Hoffmann

Christopher Hoffmann trifft die Bischöfin von Washington, Mariann Edgar Budde, auf dem Evangelischen Kirchentag Anfang Mai in Hannover.

Am Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump hatte sie sich in ihrer Predigt direkt an den Präsidenten gewandt mit den Worten: „Mr. President, […] I ask you to have mercy“ - das Video, in dem sie um Erbarmen für Migranten und Minderheiten bittet - und die verachtenden Blicke Trumps währenddessen, gingen millionenfach um die Welt. Was für ein Mut! Warum hat sie das gemacht?

Also es war nicht so, dass ich aufstand und dachte „So, jetzt bin ich mal mutig“. Ich trage Verantwortung. Ich habe eine Berufung. Mir ist klar: Jedes Mal, wenn ich etwas auf der Kanzel äußere, ist es ein Risiko. Man weiß nie, wie die Worte ankommen und aufgefasst werden. Aber ich fühlte, dass es das ist, was Gott von mir möchte. Ich musste es einfach tun.

Mit ihrer Predigt, auf die sie sich intensiv und lange vorbereitet hatte, machte sie ein uraltes, theologisches Wort wieder hochaktuell: Mercy – auf deutsch: Erbarmen. Warum dieses Wort?

Erbarmen -religiös verstanden - basiert darauf, dass wir alle nicht perfekt sind, versagen und Fehler machen, manchmal richtig schlimme Fehler. Und dann müssen wir einen Weg zurück zu uns und den Mitmenschen finden. Wir alle brauchen Barmherzigkeit. Heute bin ich vielleicht in der Lage, sie Ihnen zu geben. Morgen sind Sie barmherzig zu mir. Und wir brauchen es von Gott.  Und Gott möchte, dass wir miteinander gnädig sind.

Wenn sich der Präsident, der spaltet, lügt und hetzt, hinstellt und sagt: „Ich wurde von Gott beschützt um Amerika wieder groß zu machen“, empfinde ich das als scheinheilig. Was denkt Bischöfin Budde in diesen Momenten?

Ich verstehe die Auffassung des Präsidenten so, dass er meint, er würde von Gott geschützt, um das zu tun, was er für das Beste hält - was meiner Meinung nach eine große Gefahr ist. Immer, wenn jemand von uns denkt alles, was er oder sie tue, ist von Gott gewollt, ist das ein gefährlicher Weg. So wie er und seine Partei sich derzeit verhalten - da ist es schwer, das Gesicht Jesu Christi in den Handlungen dieser Regierung zu sehen. 

Bischöfin Budde vertritt ein gänzlich anderes Menschenbild, das darauf aufbaut, dass jeder Mensch ein einmaliges Geschöpf Gottes ist – mit unantastbarer Würde:

Wir alle sind nach dem Bild Gottes geschaffen – in unserer Vielfalt! Und wenn wir sagen, wir glauben das, behandeln Menschen aber unmenschlich, oder – noch schlimmer – wenn wir sagen „Wir sind doch keine Rassisten“, aber unsere Gesellschaft weiterhin rassistische Strukturen aufrechterhält, dann haben wir eine Diskrepanz zwischen unseren Worten und unseren Taten – und damit müssen wir uns befassen. 

Die Kraft dazu gibt ihr der Glaube – wer ist Gott für Sie?

Gott ist unser Fels und unser fester Halt und unser Fundament. Das finde ich sehr tröstlich – und dass Gott in Jesus Mensch geworden ist und dass er uns im Geist weiterhin durchströmt und in uns wirkt.

In diesem Geist Jesu Christi möchte sie mit ihrem Besuch in Deutschland zeigen, dass es nicht an der Zeit ist zu resignieren. Sie will jenem Amerika, das Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz repräsentiert hat, etwas anderes entgegensetzen:

Als unser Vizepräsident hier zu Besuch war und all diese schrecklichen Dinge gesagt hat, da dachte ich: Ich wollte eine andere Stimme sein, die hierherkommt und sagt: Wir sind eure Freunde. Wir sind alle immer noch da! 

Ich treffe Mariann Edgar Budde, die Bischöfin von Washington, auf dem Evangelischen Kirchentag. Die zierliche 65-Jährige mit der zarten Stimme wurde dort von Zehntausenden gefeiert - für ihren Mut, mit dem sie in ihrer Predigt Präsident Trump die Stirn geboten hat. Aber schon lange setzt sie sich für die Rechte, insbesondere Schwarzer Menschen, ein. Hatte sich nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bereits mit Trump angelegt und Gerechtigkeit gefordert. Wie blickt Sie auf Amerika fünf Jahre nachdem die Black Lives Matter-Bewegung zu den größten Protesten in den USA seit Martin Luther King geführt hatten?

Damals gab es eine Suche, die Wurzeln des modernen Rassismus zu verstehen, und es gab viele Gespräche über Inklusion, Vielfalt und Gleichberechtigung.  Es gab Studien über Wiedergutmachungen für die Sünden der Sklaverei und die wirtschaftlichen Vorteile daraus. Aber mittlerweile gibt es eine Art Zurückschwingen des Pendels und in der aktuellen Regierung wurden die Gespräche auf nationaler Ebene grundsätzlich gestoppt. 

Auch für die Rechte von schwulen, lesbischen und Trans*- Menschen erhob sie in der Predigt ihre Stimme – auch hier sieht sie Rückschritte in ihrem Land:

Hassrede wird mittlerweile eher von der Öffentlichkeit akzeptiert, und das macht es für diese Menschen so schlimm. Es gibt ein großes Gefühl der Unsicherheit und der Angst.

Und sie kritisiert, dass Trump die Gelder der Behörde für Entwicklungszusammenarbeit „USAID“ dramatisch gekürzt hat – laut Prognosen werden zwei bis vier Millionen Menschen weltweit deshalb an Hunger und vermeidbaren Krankheiten sterben. Als ich Bischöfin Budde darauf anspreche, schweigt sie lange:

Dafür gibt es keine Worte. Das ist so schrecklich - und überhaupt nicht notwendig. Das Geld ist nur ein ganz geringer Teil unseres nationalen Budgets. Wir sollten uns nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir haben Geld. Wir müssen es tun.

Trotz aller Bedrängnis schaut sie nach vorne. In ihrem aktuellen Buch „Mutig sein“ schreibt sie über Zivilcourage: „Welche Bedeutung ein solcher Moment letztlich hat, hängt davon ab, wie wir danach weiterleben.“* Wie geht es nun weiter, Bischöfin Budde?

Das ist für mich die entscheidende Frage! Ich denke, es kommt nicht so sehr darauf an, was wir sagen, sondern wie wir leben, wie wir miteinander umgehen. Sehen Menschen anhand unseres Handelns die Liebe Gottes, die Wege der Hoffnung und des Guten? Das ist das Wichtigste!

 

* Quelle: Mariann Edgar Budde: Mutig sein, aus dem Englischen von Anja Lerz, Oliver Lingner, Elsbeth Ranke und Karin Schuler, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2025, S.31.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42240
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