SWR4 Abendgedanken
Manchmal könnte ich vor Ärger platzen. Wirklich platzen, explodieren! Meistens fängt der Ärger noch leise an. Und ich merke: Mir ist halt eine Laus über die Leber gelaufen. Aber wenn ich die Sache dann nicht anspreche, dann fängt es an, zu nagen. Der Druck im Kessel wird immer größer. Und gleichzeitig fällt es mir immer schwerer, ihn loszuwerden. Denn wie spreche ich bei jemand anderen an, was mich an ihm nervt? Ich will mein Gegenüber nicht vor den Kopf stoßen. Aber das passiert so leicht, wenn ich mit meiner Wut einfach so rausplatze.
So vor kurzem. Da hat mich eine Frau versucht, telefonisch zu erreichen. Das Telefon klingelt, aber ich bin im Gespräch, kann nicht rangehen. Ich erkenne die Nummer, denke noch, dass ich später zurückrufen werde. Kurz danach vibriert mein Handy, die gleiche Person. Und weil ich da auch nicht rangehe, kommen kurz nacheinander Emails und Nachrichten auf allen Kanälen Ich bin gestresst, ärgere mich. Ich kann doch nicht immer und überall erreichbar sein. Aber ich sage nichts, schlucke meinen Ärger herunter, bin freundlich bei meinem Rückruf.
Doch das Ganze wiederholt sich. Immer mal wieder. Und da habe ich dann mal was gesagt. Höflich, aber bestimmt, sachlich, aber mit Gefühl. Ich habe kontrolliert Dampf abgelassen und gesagt, wie es mir in solch einer Situation geht.
Es hat mir geholfen. Und ich glaube meinem Gegenüber auch. Seit diesem klärenden Gespräch hinterlässt sie immer eine Nachricht, bittet um Rückruf und ist geduldiger mit mir und sich selbst.
„Reg dich nicht auf, dass du vor Ärger platzt. Denn der Ärger sitzt fest in der Niere des Dummen.“[1]
So heißt es in der Bibel, genauer gesagt im Buch des Predigers. Und dieser alte Prediger hat recht. Es ist wirklich dumm, wenn ich mich ärgere, wenn ich fast platze vor Frust, nur weil ich nicht rede. Der Ärger setzt sich fest in meiner Niere, also in mir. Damals zur Zeit des Predigers war die Niere der Ort der Gefühle und des Gewissens.
Um nicht zu platzen vor Wut oder um die Laus nicht über meine Leber und den Ärger nicht in meiner Niere festsetzen zu lassen, hilft es zu reden. Und zwar jetzt. In der Gegenwart. Auch wenn das nicht leicht ist. Aber es hilft. Nur dann kann ich was ändern. Und das ist nicht dumm, sondern klug.
[1] Prediger 7,9 (Basisbibel)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42221