SWR4 Abendgedanken
Ist das jetzt gut oder schlecht? – Diese Frage hallt in mir nach. Ein Junge aus der Kindergruppe hat sie mir gestellt. Und zwar kurz nachdem er sich mit einem anderen Jungen geprügelt hatte. „Gut gemacht“, hat sein Kumpel gesagt, „dem hast du es gezeigt.“ Und er ist stolz, weil sein Freund sich dieses Mal gewehrt hat, nicht einfach eingesteckt hat. „Hm, das war schlecht“, habe ich gesagt. „Denn Schlagen ist keine Lösung, du hättest besser reden sollen.“
Gut oder schlecht? Richtig oder falsch? Dafür oder dagegen? Irgendwie gibt es scheinbar immer nur zwei Möglichkeiten.
Manchmal fehlt mir das Dazwischen, eine andere Möglichkeit. Nicht immer so pauschal und nicht immer so endgültig. Aber dennoch auch nicht Wischiwaschi.
Die evangelische Theologin Dorothee Sölle hat vor vielen Jahren genau dazu ein Gedicht geschrieben. „Der dritte Weg“ heißt es und sie schreibt darüber, dass wir immer nur zwei Wege sehen, entweder sich ducken oder zurückschlagen, treten oder getreten werden. Jesus jedoch ist einen anderen Weg gegangen. Er hat gekämpft, aber nicht mit Waffen, er war gegen Gewalt, aber nicht mit Gewalt.
Dieser dritte Weg, den Jesus geht, der fordert mich heraus. Für Jesus war klar: Man muss sich an Gottes Geboten orientieren. Liebe Deinen Mitmenschen genauso wie Du Dich selbst liebst. Suche den Frieden und – respektiere, dass Du nicht wichtiger bist als andere Menschen. Oftmals hat er den Menschen einfach einen Spiegel vorgehalten und so seine Widersacher auf eine neue Lösung gebracht.
Richtig oder falsch? Dafür oder dagegen? Es gibt auch ein dazwischen. Nämlich einen neuen Weg finden und das Gespräch suchen. Und anzuerkennen, dass Respekt wichtiger ist, als Recht zu behalten.
Ich kann mit meinem Nachbarn reden, ihm sagen, dass es mich stört, dass seine Brombeerhecke zu mir herüberwächst. Laut Gesetz dürfte ich sie einfach abschneiden – aber richtig wäre das nicht. Genauso wenig, wie einfach stillzuhalten und meinen Ärger auszusitzen
Aber das Gespräch ist der dritte Weg. Er kostet mehr Kraft und Zeit und vielleicht auch Nerven. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich so nicht gleich sagen, aber das Ergebnis kann mich überraschen.
Jesus zeigt mir, dass es mehr gibt als gut oder schlecht, dafür oder dagegen. Es gibt den dritten Weg, der aus einem Richtig oder Falsch den bestmöglichen Weg macht. Perfekt wird der nicht sein – aber hoffentlich akzeptabel für alle Beteiligten. Und das ist das Schönste.
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