SWR Kultur Wort zum Tag
Mit einem Geldschein, einem Stoffbeutel und einem handgeschriebenen Zettel in der Hand begann das wöchentliche Abenteuer meiner frühen Kindheit: der Gang zum Bäcker.
Die erste Erinnerung daran habe ich, da muss ich etwa vier Jahre alt gewesen sein. Es waren nur etwa 500 Meter von unserem Haus bis zum Bäcker. Als Kind kam mir das unfassbar weit vor. Den Geldschein habe ich meistens fest umklammert, ich hatte Angst, ihn zu verlieren. Beim Bäcker Brot kaufen, das war mein ganzer Stolz. Meine Eltern trauen mir zu, dass ich das kann – ich bin schon groß. Auf dem Weg habe ich mir immer wieder vorgesagt, was ich holen sollte: ein Roggenbrot, fünf Brötchen, vier Brezeln und zwei Schokocroissants. Beim Bäcker angekommen, stellte ich mich auf Zehenspitzen, legte das Geld und den Einkaufszettel auf den Tresen und versuchte, die Liste aufzusagen. Mein Herz pochte dabei doll. Schließlich wollte ich nichts vergessen und musste der Verkäuferin vertrauen. Denn nachrechnen, ob ich das richtige Wechselgeld bekommen hatte, konnte ich damals noch nicht. Mit der vollen Tasche bin ich dann zurück nach Hause gelaufen. Auf dem Weg habe ich schon mal am ersten warmen Brötchen geknabbert. Meine Brotwege zum Bäcker. Sie haben mir Lebenserfahrung gegeben. Im Rückblick denke ich heute: irgendwie war Gott immer da auf meinen Brotwegen; wenn ich über die große Straße gelaufen bin, das Geld verwaltet habe, mich überwunden habe, mit der Verkäuferin zu sprechen. Da habe ich fest gespürt: ich kann den Weg fröhlich gehen mit leichtem Herzen, ohne Angst.
Längst fühlt sich der Bäckergang nicht mehr so abenteuerlich an wie früher. Meistens bin ich sogar eher genervt, wenn ich die Schlange davor schon von draußen sehe. Drinnen stelle ich dann ernüchtert fest, wie teuer Brot schon wieder geworden ist und gehe kopfschüttelnd nach Hause. Viele meiner Wege fühlen sich schwer an. Gedanken an das, was sie bringen werden, belasten mich. Wird es gut werden für mich?
Wenn ich an meine Brotwege von früher denke, dann glaube ich: auch heute ist Gott dabei auf meinen kleinen und großen Wegen, stärkt mich, traut mir etwas zu. Darum mache ich mich auch heute auf den Weg und suche, was die Seele nährt, was meinen Lebenshunger stillt.
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