Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Arian hat im Iran Religionswissenschaften studiert. Aus Interesse hat er begonnen, die Bibel zu lesen und dabei mehr und mehr gespürt, dass zwischen ihm und diesem „Jesus“ etwas passiert. Irgendwann hat er sich dabei ertappt, wie er zu Jesus gesprochen hat, wie er zum christlichen Gott gebetet hat. „Das ist einfach passiert“, hat er mir erzählt, denn er lebt jetzt in Deutschland. Im Iran durfte er seinen Glauben nicht offen leben. Weit weg, der Iran.
Doch ganz nah ist Stuttgart. Dort ist Niklas 1999 geboren. Er ist zum Islam konvertiert. Er sagt: „Ganz ehrlich: Ich fühle mich in Deutschland nicht sicher. Es gibt so viel Hass – und ich fühle mich vom Staat nicht gerade geschützt, bei so viel Angst vor dem Islam…“
Die Geschichten von Arian und Niklas sind ganz ähnlich der von Thomas. Der lebte allerdings schon Anfang des 17. Jahrhunderts in England, Thomas Helwys war Leiter einer kleinen, unabhängigen Gemeinde, die von anderen „baptists“, Baptisten also, oder Täufer genannt wurde. Die Baptisten setzten auf die freie Entscheidung für den eigenen Glauben.
Das Oberhaupt der anglikanischen Kirche war im Jahr 1612 der englische König James. Ihm hat Thomas Helwys ein Buch geschickt, das er geschrieben hat. Es geht darin um die Trennung von Kirche und Staat. In seiner Widmung für den König schreibt Thomas Helwys:
„Höre, o König, und verachte nicht den Rat der Armen, und lass ihre Klagen vor dich kommen. Der König ist ein sterblicher Mensch und nicht Gott; deshalb hat er keine Gewalt über die unsterblichen Seelen seiner Untertanen, um Kirchengesetze und Gottesdienstordnungen für sie zu machen.“
Aber Thomas Helwys setzt sich damit nicht nur für die eigene Glaubensgemeinschaft ein. Nein, ihm geht es um eine generelle Trennung von Kirche und Staat und damit Freiheit für alle. Im Buch selbst schreibt er:
„Sollen sie doch Ketzer, Türken, Juden oder sonst etwas sein, es steht der irdischen Macht nicht zu, sie deshalb auch nur im Geringsten zu bestrafen.“
Thomas Helwys wurde verhaftet, eingesperrt und ist 4 Jahre später im Gefängnis gestorben. Das war 1616.
Religionsfreiheit ist ein hohes Gut. Damals wie heute ist es wichtig, sie zu schützen. Das ist die einzige Aufgabe, die der Staat im Zusammenhang mit Religion haben kann, aber auch wahrnehmen muss. Im Iran gilt das genauso wie hier.
Thomas Helwys, 1612, A Short Declaration of the Mystery of Iniquity (Eine kurze Erklärung des Geheimnisses der Ungerechtigkeit).
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42204