Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Wir schlagen in dieser Woche ein neues Buch der Tora auf – Sefer Bamidbar, das vierte Buch Mose. Auf Deutsch nennen wir es „Numeri“, also „Zahlen“. Denn gleich zu Beginn wird gezählt: Die Stämme Israels, ihre Angehörigen, ihre Lagerordnung in der Wüste.
Für viele klingt das erst einmal trocken – wie eine lange Liste aus einem alten Register. Doch dahinter steckt eine tiefe Botschaft. Denn im Hebräischen heißt das Buch nicht „Zahlen“, sondern Bamidbar – „In der Wüste“.
Ein Ort der Leere, der Unsicherheit. Und ausgerechnet dort beginnt die Ordnung. Dort zählt jeder Einzelne.
Was sagt uns das heute? Vielleicht dies: Auch in Zeiten der Ungewissheit – wenn wir uns verloren oder orientierungslos fühlen – wird jeder Mensch gesehen. Jeder zählt.
Im Judentum ist Zählen nie nur Mathematik. Es bedeutet: Du bist Teil eines Ganzen. Du wirst nicht vergessen. Du trägst Verantwortung – für dich und für die Gemeinschaft.
Und noch etwas: Die Ordnung des Lagers ist so gestaltet, dass die Stiftshütte – das Heiligtum – in der Mitte steht. Nicht Macht, nicht Geld, nicht Status. Sondern das Heilige, das Verbindende.
Vielleicht ist das der Anstoß dieser Woche: Uns zu fragen, was in unserer Mitte steht. Und ob wir – trotz allem Durcheinander – die Kraft haben, Ordnung zu schaffen.
Ein guter Gedanke für diese unruhigen Zeiten.