Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

23MAI2025
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Jesus war ein Meister der paradoxen Intervention. Dabei hat erst die moderne Psychologie das so genannt. Und doch hat Jesus sie schon damals ganz gezielt eingesetzt. Er wollte seine Gesprächspartner verwirren, damit sie sich neu sortieren und ihre Meinung überdenken.

Einmal haben die Gegner von Jesus eine Frau vor ihn hingestellt; oder besser gesagt: vor ihn hin gestoßen haben sie sie; und gesagt:
„Diese Frau haben wir auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt.“

Für uns hier und heute vielleicht keine große Sache mehr, aber damals stand darauf die Todesstrafe. Und die Gegner Jesu wollten ihn in die Enge treiben.

Sie sagen:„Mose hat uns geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du dazu?“ Und schon steckt Jesus mitten im tödlichen Dilemma:

Denn: tut er nichts, wird die Frau getötet. Und schlägt er sich auf ihre Seite, dann verstößt er gegen das Gesetz und wird mitangeklagt. Was tun?

Jesus antwortet nicht. Stattdessen bückt er sich nieder und schreibt mit dem Finger in den Sand. Was er da schreibt? Schwer zu sagen. Jedenfalls ist er ganz versunken dabei. Seine Gegner fragen ihn noch einmal, doch er schreibt einfach weiter. Sie lassen aber nicht locker:

„Was sagst du dazu, Jesus? Müssen wir sie nicht steinigen?“
Da richtet er sich auf und sagt diesen einen Satz: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

Dann bückt er sich und schreibt weiter in den Sand. Und während er da vor sich hinschreibt, heruntergebeugt, seine Gegner gar nicht anschaut, können sie unbeobachtet in sich gehen. Er lässt ihnen Zeit. Er greift sie nicht an. Kein bohrender Blick; kein kontrollierendes Nachhaken. Jesus vertraut einfach auf seine Worte. Und lässt die Ankläger frei entscheiden.

Als er schließlich wieder aufsieht, sind alle gegangen, bis auf die Frau. Seine Gegner haben nicht das Gesicht verloren und die Frau nicht das Leben. Meisterhaft - in jedem Sinne!

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