Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Als ich am Bahnhof ankomme, merke ich, dass es gut gewesen wäre, wenn ich den Spielplan des 1. FCK im Blick gehabt hätte. Mit mir stehen nämlich Hunderte fröhlicher Fans nach einem Heimspielsieg auf dem Bahnsteig. Als der sowieso schon gut gefüllte Zug kommt, schaffe ich es nicht mehr rein mit Koffer und Rucksack. Ich muss eine Stunde auf den nächsten Zug warten. Ich setze mich in die Sonne und überprüfe auf dem Handy, ob ich mein Ziel heute noch erreichen kann. Es wird klappen und da gelingt es mir meinen Ärger über meine schlechte Planung loszulassen. In der nächsten Bahn bekomme ich sogar einen Sitzplatz.
Alles gut. Bis Ludwigshafen. Dort bleibt die Bahn stehen. Keine Durchsage, keine Information, nur Stillstand. Irgendwann läuft über die Anzeige der Text: „Bitte alle aussteigen.“ Gehetzt steige ich aus und sehe, wie ein Mann kurz mit einem Bahnmitarbeiter spricht und dann mit seinem Koffer Richtung Ausgang rennt. Ich schließe mich an und frage ihn, wie er nun nach Mannheim kommt. „Mit einem Taxi!“, ruft er und rennt weiter. „Kann ich mitfahren?“, rufe ich und renne neben ihm her zu den Taxis. „Klar“, sagt er und schon sitzen wir beide im Taxi zum Mannheimer Hauptbahnhof. Ich will ihm den halben Fahrpreis bezahlen. Er lädt mich ein. In Mannheim ist der Anschluss weg, aber wir können einen anderen Zug nehmen. Wir erzählen einander, dass wir beide auch in Frankfurt noch einmal umsteigen müssen und bangen, ob wir das schaffen. Wir sind nun eine kleine Gemeinschaft mit einem Ziel geworden. Wir informieren uns über die wachsende Verspätung und rüsten uns zum Spurt über den Frankfurter Hauptbahnhof. Dort haben wir knappe 2 Minuten. Wir nehmen es sportlich, rennen nebeneinander 6 Gleise weiter und schaffen es gerade in den ICE. Wir strahlen uns an und er hält mir die High Five Hand hin. Ich klatsche ab. Dann trennen sich unsere Wege. Er geht in die 1. Klasse und ich in die 2.
Diese Fahrt fällt nicht nur in die Kategorie Alltagsabenteuer, sondern sie macht mir so deutlich, wie gut es ist, dass wir als Menschen einander zu Nächsten werden können. Denn zu zweit lassen sich nicht nur die kleinen Abenteuer des Lebens besser bestehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42194