SWR Kultur Lied zum Sonntag

18MAI2025
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Bei der Suche nach einem passenden Lied für den heutigen Sonntag bin ich im katholischen Gotteslob auf ein altes Marienlied gestoßen. Mit seinem romantisch-schwärmerischen Text und seiner beschwingten Melodie wirkt es ziemlich aus der Zeit gefallen – aber gerade das hat mich gereizt.

Strophe 1:

Maria, Maienkönigin, dich will der Mai begrüßen;

O segne ihn mit holdem Sinn und uns zu deinen Füßen.

 

Dieses Lied wird in Maiandachten gesungen, bei denen Maria, die Mutter Jesu, im Mittelpunkt des Gottesdienstes steht. Ich persönlich habe keine Beziehung zu dieser Frömmigkeitstradition –aber ältere Frauen haben mir oft erzählt, wie gerne sie als Kind einen Marienaltar mit frischen Blumen geschmückt haben und wie schön die abendliche Atmosphäre mit den Marienliedern in der Kirche war.

 

Maria Maienkönigin. Es heißt nicht Maria – Himmelskönigin. Hier scheinen ältere religiöse Traditionen zum Vorschein zu kommen. Der Mai ist nach der römischen Göttin Maia benannt, die für das Wachstum des Getreides zuständig war. In vielen vorchristlichen Kulten verkörperten die weiblichen Fruchtbarkeitsgöttinnen die göttliche Kraft des neu aufbrechenden Lebens, die wir im Frühling so üppig erleben können. Im Zuge der Christianisierung wurde diese religiöse Urerfahrung auf Maria, die Mutter Gottes, übertragen.

 

Aber ist das nicht ein bisschen heidnisch, Maria als Maienkönigin zu besingen?  Guido Görres, von dem der Text dieses Liedes stammt, war beeinflusst von den Dichtern der Spätromantik, denen die Natur nach der kalten Rationalität der Aufklärung  wieder zum Resonanzraum des Göttlichen geworden war. Von Eichendorff stammen zum Beispiel die berühmten Zeilen: „Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst.“ Görres hatte 1842 auf einer Italienreise die Form der Maiandacht kennengelernt und davon inspiriert viele Marienlieder gedichtet. Ein Jahr zuvor hatten französische Ordensfrauen in München die erste Maiandacht auf deutschem Boden gefeiert. Von da an entwickelten sich Maiandachten im 19. Jahrhundert zu den beliebtesten religiösen Ausdrucksformen.

 

Und heute?

Mit der traditionellen Marienfrömmigkeit tue ich mich wie die meisten Frauen heute schwer. Vor allem das Frauenbild, das dabei vermittelt wurde – gehorsam, demütig und keusch zu sein – finde ich in dieser Einseitigkeit problematisch. Aber Maria als Maienkönigin zu besingen – das hat etwas. Das Lied ist eine Einladung, den Frühling als göttliches Geschenk zu feiern. Vielleicht entdecken wir dabei auch eine neue Sprache für unseren Glauben. Die beiden Musiker, die das Lied für diese Sendung eingespielt haben, haben sich auf solch eine Entdeckungsreise begeben, und dabei Neues und Altes verbunden.  

 

Strophe 2:

Die Schöpfung hat sich aufgemacht, den Schöpfer zu verehren,

mit Farben, Duft und Blütenpracht will sie sein Lob vermehren.

 

Strophe 3:

Maria, dir befehlen wir, was grünt und blüht auf Erden

Auch uns lass eine Himmelszier in Gottes Garten werden.   (in verjazzter Variante) 

 

 

Text: Guido Görres (1842), Stophe 1 + 3 trad, Strophe 2 Peter Gerloff

Melodie: Johann Kaspar Aiblinger (1845)

Private Aufnahme von Adrian Brenneisen (Gitarre) und Jana Maier (Gesang), Studierende der Musikhochschule Trossingen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42186
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