SWR Kultur Wort zum Tag
Jeden Dienstagmorgen im Semester frühstücke ich mit Studierenden nach einer Morgenandacht. An einem dieser Tage haben wir bei Kaffee und selbst gebackenen Pancakes über die Ostergeschichte gesprochen. Eine Studentin erzählt uns, dass sie von Maria von Magdala fasziniert ist, seitdem sie zum ersten Mal von ihr gehört hat. Denn Maria von Magdala ist am Ostersonntag als erste am Grab von Jesus gewesen und hat als erste entdeckt, dass das Grab von Jesus leer ist.
Zunächst ist Maria total erschrocken und geschockt. Sie hat die Welt nicht mehr verstanden und nicht mehr gewusst, was sie nun tun soll. Und als ob das nicht alles schon genug wäre, wird sie auch noch von einem Fremden angesprochen, den sie in ihrer Verwirrung für den Gärtner hält. Er aber scheint sie zu kennen. Er spricht sie mit ihrem Namen an: Maria! Und da fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. Das muss doch Jesus sein! Dieser Moment verändert alles. Das ist der Wendepunkt der Geschichte.
Eine andere Studentin ergänzt spontan: Ich kenne das: Wenn meine Oma mich mit meinem Namen ruft, dann weiß ich, dass nur ich auf der Welt gemeint bin. Sie hat so einen liebevollen warmen Ton, wenn sie meinen Namen ausspricht, den würde ich überall auf der ganzen Welt auch mit verbundenen Augen heraushören. Und unter tausend Lisas wüsste ich, dass ich gemeint bin. Ich stelle mir vor, dass es bei Maria auch so war, als Jesus sie angesprochen hat .
Ja, es kann viel bedeuten, wenn jemand, den ich mag, meinen Namen nennt. Vielleicht mit einer liebevollen Betonung, vielleicht mit einem nur uns beiden bekannten Kosenamen, mit einem Spitznamen, der alte Zeiten heraufbeschwört, jedenfalls genau der Name, der für mich stimmt.
In der Erzählung vom Ostermorgen hat Jesus Maria von Magdala mit ihrem Namen angesprochen und ihr gezeigt: Ich sehe dich auf Augenhöhe an und nehme dich ernst. So wie Jesus schon zu seinen Lebzeiten Menschen angesehen hat und ihnen damit eine besondere Würde geschenkt hat.
Ich ärgere mich oft darüber, dass in der Bibel so viele Frauen ohne Namen vorkommen. Sie werden als Ehefrau, Magd, Mutter, Schwester oder Witwe bezeichnet. Deshalb freue ich mich an dieser Geschichte ganz besonders: Jesus nennt Maria von Magdala bei ihrem Namen.
Damit wird sie sogar zur ersten Zeugin der Auferstehung und zur Botschafterin eines einzigartigen Neuanfangs. Mir geht es wie den Studierenden beim Morgenfrühstück. Die Geschichte macht mir Hoffnung. Denn Jesus ist aus dem Grab auferstanden und seine Worte und Taten leben weiter. Bis heute.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42174