SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

18MAI2025
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Die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten gehört für mich zur schönsten Zeit des Jahres: die Wiesen sind grün, der Raps leuchtet und die Pfingstrosen blühen. Das hat etwas Frisches; da ist Leben drin.

Auch in den Kirchen wird zwischen Ostern und Pfingsten vom Leben erzählt, davon, dass etwas aufbricht: besonders gerne höre ich, wie die Jünger die ersten Gemeinden gegründet haben. Das war nicht leicht damals. Jesus hatte Feinde und auch die Jünger ecken an. Dennoch haben sie großen Erfolg. Der römische Schriftsteller Tertullian hält fest, woran das liegt. Er zitiert die „Heiden“, also Leute, die andersgläubig sind. Sie sind von den Christen fasziniert und bescheinigen ihnen: „Seht wie sie einander lieben … und füreinander zu sterben bereit sind.“ Offenbar haben sich die Christen anders verhalten als andere. Sie waren sogar bereit, ihr Leben hinzugeben – für andere und für Gott. Woher kommt das?

Die ersten Jünger haben erlebt, wie Jesus auferstanden ist. Sie sind sich deshalb sicher: Gott begleitet Menschen und auch wenn sie sterben, geht es für sie weiter. Davon erzählen sie einander und schreiben es auf; in verschiedenen Formen. Heute zum Beispiel wird in den katholischen Gottesdiensten aus der Offenbarung des Johannes vorgelesen.

Johannes hat eine Vision, wie das Leben bei Gott aussieht. Er sieht einen neuen Himmel und eine neue Erde. Der alte Himmel und die alte Erde sind vergangen. Sogar das Meer ist nicht mehr. Das klingt heute vielleicht etwas traurig – ich mag das Meer und mache dort gerne Urlaub. Aber das Meer war damals nichts, woran man sich erfreut hat. Es war unberechenbar und gefährlich. Die Menschen sind davon ausgegangen, dass dort das Böse schlummert. Das Meer war also ein Bild für alles, was den Menschen Angst macht. Wenn es nun das Meer nicht mehr gibt, dann ist das etwas Gutes. Johannes macht das in seiner Vision konkret und erklärt: „Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.“ Johannes sieht, wie Gott unter den Menschen wohnt. Sie können ihm ihr Leid klagen – und er tröstet sie und trocknet ihre Tränen.

Das also könnte die Christen bei Gott erwarten. Die Jünger erleben wie Jesus aufersteht und sind sich sicher, dass Gott auch sie zu sich holt unter einen neuen Himmel und auf eine ziemlich verlockende Erde. Das macht sie innerlich frei! Es nimmt ihnen die Angst vor dem Tod und damit auch davor anzuecken, Unrecht anzuprangern und sich für andere einzusetzen. Dadurch fallen sie auf – denen, die anderes glauben, und auch dem Schriftsteller Tertullian.

Wer an die Auferstehung glaubt, lebt anders; vielleicht freier und gelöster. Damals und womöglich auch heute. Ich muss dabei an Beate denken.

Von ihr erzähle ich gleich mehr …

 

Wer an die Auferstehung Jesu glaubt, lebt anders. In meinen Sonntagsgedanken habe ich eben erzählt, wie das bei den Jüngern damals war. Und ich habe angedeutet, dass es auch heute Menschen gibt, bei denen das so ist – Beate zum Beispiel.

Sie war lange Zeit Notfallseelsorgerin. Beate ist für mich ein „österlicher Mensch“, also einer, der fest damit rechnet, dass Gott Menschen beisteht – wenn sie leben, leiden oder sterben und auch nach dem Tod. Das wirkt sich darauf aus, was Beate tut und wie sie es tut. Sie hat Menschen begleitet, die mit Leid konfrontiert waren. Sie hat Todesnachrichten überbracht, ist zu Unfällen gerufen worden und ist Menschen in den dunkelsten Momenten ihres Lebens beigestanden.

Ich habe sie gefragt, wie sie so etwas durchstehen konnte. Beate sagt: „Mein Glaube gibt mir Kraft. Er macht mich innerlich frei, denn ich weiß: es hängt nicht alles an mir; ich darf an Gott abgeben.“ Daraus hat Beate ein Ritual entwickelt: Bevor sie zu einem Einsatz fährt, zündet sie schnell noch eine Kerze an und stellt sie in ein Glas. Sie vertraut die Situation, die Menschen und sich selbst Gott an. So ist sie sich sicher, dass Gott mit ihr unterwegs ist. Sie fragt ihn nicht, warum er Leid zulässt. Sie vertraut darauf, dass er ihr und den anderen alles gibt, um es zu bewältigen. Wenn die Kerze später erlischt, kann Beate loslassen. Sie glaubt, dass Gott weiterhin da ist, die Toten zu sich nimmt und die tröstet, die trauern.

Aber Beate überfällt die Menschen nicht mit ihrem Glauben an die Auferstehung. Und sie übergeht ihre Fragen und ihre Trauer auch nicht mit platten und vorschnellen Antworten wie: „am Ende wird alles gut“. Sie sagt, das wäre fatal. Beate hört lieber zu und schaut, was die Menschen gerade brauchen: ein Glas Wasser zum Beispiel für klare Gedanken oder etwas Lavendelöl, um ruhiger zu werden. Es ist oft nicht viel.

Ich weiß nicht, ob sich Beate selbst als österlichen Menschen bezeichnen würde. Für mich ist sie einer. Denn aus einer österlichen Haltung zu leben, heißt für mich damit zu rechnen, dass Gott etwas bewirken und verwandeln kann. Zu glauben, dass er damit nicht bis irgendwann wartet, sondern schon jetzt damit anfängt: wenn Beate im Gebet abgeben kann zum Beispiel oder wenn die Menschen das Leid besser ertragen, weil sie mit ihnen die Stille und die Leere aushält. Österlich leben heißt für mich, anderen durch das, was ich sage und tue, eine Ahnung von dem zu geben, was ich hoffe: dass Gott an meiner Seite ist – heute und für immer. Dafür braucht es nicht immer große Gesten. Oft reicht es, wenn ich mich dem anderen zuwende und ihm wie Beate zuhöre, oder wenn ich im Alltag jemanden aufmuntere oder mich um Versöhnung bemühe, wo alles verfahren zu sein scheint.

In der Offenbarung des Johannes sagt Gott: „Seht, ich mache alles neu.“ Österlich zu leben, heißt für mich, daran mitzuwirken; hier und heute. Denn das neue Leben, das Gott verspricht, beginnt, wo immer sich etwas zum Guten wandelt.

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