SWR3 Gedanken

14MAI2025
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Ich war erst mal komplett perplex, als Andreas angerufen hatte. Wir haben uns noch nie gesehen, kennen uns eigentlich nicht. Meine Telefonnummer hat er online gefunden. Begegnet sind wir uns bisher nur online im Kommentarbereich. Nicht zu einem großen politischen Thema. Sondern zu einer Spielzeugrennbahn. Eigentlich komplett belanglos. Aber wo eine Leidenschaft ist, kann es auch mal intensiv werden. Als unsere Diskussion immer mehr Fahrt aufgenommen hatte, festgerannt war, hat er die Bremse reingehauen und das direkte Gespräch am Telefon gesucht.

45 Minuten hab ich mit Andreas telefoniert. Im direkten Gespräch noch mehr Argumente ausgetauscht, als es online schriftlich möglich war. Und so überrascht ich über seinen Anruf war – und ja, ich fand das zuerst richtig creepy –, so gut war das hinterher. Wir sind uns einig, dass wir in einigen Punkten weiterhin unterschiedlicher Meinung sind. Aber wir verstehen den anderen jetzt besser.

Wenn ich mir andere Onlinediskussionen anschaue, dann bräuchten wir eigentlich mehr Menschen, die wie Andreas sind. Menschen, die direkt miteinander reden – und sich auch verstehen wollen. Immer wieder erlebe ich es eher so, dass sich einige einfach nur empören wollen. Nicht mehr, nicht weniger.

In den 10 Geboten gibt es den Ruhetag von der Arbeit. Vielleicht täte uns als Gesellschaft ein Social Media-Ruhetag gut. Kein fester Tag, sondern jede und jeder für sich. Einfach mal die Bremse reinhauen. Ein Tag, ohne hier und da zu kommentieren, ohne Aufregung. Bremsen. Durchatmen. Und dann ohne Aufregung wieder das Gespräch suchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42134
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