Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
„Die Grenze ist der eigentliche Ort der Erfahrung“. Über diesen Satz bin ich gestolpert und ganz unterschiedliche Bilder sind in mir aufgestiegen. Erinnerungen an ganz reale Grenzübergänge mit Ausweis vorzeigen und Kontrollen, die immer auch etwas Mulmiges an sich hatten. Orte, wo auf der anderen Seite eine andere, fremde Sprache gesprochen wird und mir bewusst ist, dass ich vertrautes Terrain verlasse.
Nicht nur zwischen zwei Ländern gibt es eine Grenze und Grenzübergänge. Auch im Leben mache ich immer wieder die Erfahrung von Grenzen und Übergängen.
An solchen Grenzen muss ich mich entscheiden, ob ich nach vorne oder zurückgehen will, denn die Grenze ist kein Ort, an dem man ständig leben kann. Deshalb stellt sich die Frage: Wage ich den Schritt, bin ich bereit, Neuland zu begehen und Altvertrautes zu verlassen? Den Beruf zu wechseln oder noch einmal an einem anderen Ort neu anzufangen? Glaub ich, dass auch dort der Boden mich trägt und es Wege gibt, die es wert sind, von mir gegangen zu werden? Glaub ich, dass da Einer ist, der mit mir geht, egal wohin?
Für mich ist diese Vorstellung von einem Gott, der mit seinem Volk und auch mit mir heute unterwegs sein will, hilfreich und tröstlich zugleich. Ein Gott, der nicht an einen Ort gebunden ist, der Grenzen sprengt, auch die, meiner eigenen Vorstellungskraft von ihm. Der immer größer und anders ist, als ich zu denken vermag. Dieser Gott macht mir Mut, mich hinauszuwagen.
Nicht nur in die weite Welt, sondern auch über die Grenzen meiner selbst. Das heißt, dass ich wage, nicht an meinem Bild von mir festzuhalten, dass ich mir zugestehe, mich auch im fortgeschrittenen Alter weiterzuentwickeln.
Ich habe mich zum Beispiel für eine Fortbildung in meditativen Leibübungen angemeldet, die zum Teil auf einer digitalen Lernplattform stattfindet. Anfangs war ich skeptisch, ob ich das hinbekomme, da ich es nicht so mit der Technik habe. Inzwischen freu ich mich, dass ich mich da eingefuchst habe und genieße es, mit diesen einfachen Übungen mehr zur Ruhe, mir selbst und Gott zu kommen. Und ich habe mir vorgenommen, das, was ich dabei erlernt habe, für andere erlebbar zu machen – ohne ständig zu fragen, bin ich schon gut genug dafür?
Dabei vertraue ich diesem Gott, der mit mir über Grenzen geht und bei Grenzerfahrungen an meiner Seite ist. Auch, wenn es immer ein Wagnis bleibt.
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