Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

08MAI2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Heute vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht.

Ich weiß nicht, wie meine Großeltern diesen 8. Mai erlebt haben. Und ich kann sie leider nicht mehr fragen. Vielleicht waren sie erleichtert, dass der Krieg endlich vorbei war. Aber sie gehörten zu denen, die besiegt wurden. Die sich vor der Rache der anderen fürchteten.

Meine Großeltern gehörten zu denen, die erstmal kein richtiges Zuhause mehr hatten. Die nicht wussten, ob sie alle ihre Lieben wiedersehen würden. Die einfach irgendwie durchkommen mussten. Und die mit dem weiterleben mussten, was sie in den Jahren zuvor selbst getan, gesagt und gewusst haben. Meine Großeltern mussten dann erst einmal lernen, was das heißt: In Frieden und Freiheit zu leben.

Für mich heute ist der 8. Mai ein Feiertag: der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Aber es ist kein Tag für Champagnerlaune und Fröhlichkeit.

Denn der 8. Mai erinnert mich an das unfassbare Grauen, das die Nazis in die Welt gebracht haben. Ich denke heute an die, die vor 80 Jahren befreit wurden aus den Lagern oder aus ihren Verstecken. Und an die vielen, die diesen Tag nicht mehr erlebt haben.

Der Tag der Befreiung erinnert mich daran, dass es nicht selbstverständlich ist, in Frieden und Freiheit zu leben. Ich bin mit diesem Privileg aufgewachsen – anders als meine Großeltern. Dafür bin ich dankbar. Und ich hoffe, dass das so bleibt.

Aber dafür muss man auch etwas tun. Das hat uns die Zeit des Nationalsozialismus gelehrt: Dass es wichtig ist, wie jeder einzelne sich verhält. Besonders, wenn es darum geht, nicht wegzuschauen, wenn andere aufgrund ihrer Abstammung, ihrer Religion, ihrer Sexualität oder ihrer politischen Haltung bedroht werden.

In Frieden und Freiheit zu leben ist ein Privileg. Aber keins, das man einmal geschenkt bekommt und dann jedes Jahr am 8. Mai kurz aus dem Regal holt, um es abzustauben. Wir müssen es jeden Tag pflegen, damit es uns erhalten bleibt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42103
weiterlesen...