Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05MAI2025
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Manchmal muss ich gar nicht fragen, wie’s meinem Gegenüber so geht. Manchmal steht das den Menschen einfach ins Gesicht geschrieben: mit Sorgenfalten auf der Stirn. Oder wenn da ständig so ein - leises Lächeln um die Mundwinkel spielt – frisch verliebt, würde ich dann sagen.

Aber - haben Sie schon einmal in das Gesicht von jemandem geschaut, der absolut entschlossen sein Ziel verfolgt? Ich finde, so einen Blick sieht man selten: Zweifel sind darin kaum zu lesen, und auch Angst spielt keine Rolle. Eigentlich beneidenswert, wenn jemand so klar weiß, was er will und was gerade dran ist. Und trotzdem bekomme ich fast Angst, wenn ich in ein Gesicht so voller Entschlossenheit blicke.

Angst haben die Menschen auch vor Mose bekommen, als sie ihm ins Gesicht gesehen haben. Eine Geschichte aus der Bibel erzählt davon. Der Prophet Mose hatte von Gott persönliche Anweisungen bekommen: Dass er das Volk der Israeliten in eine neue Heimat führen soll. Welche Regeln gelten sollen unter den Menschen. Wie ihr Leben aussehen soll. Glasklar weiß Mose, was Gott von ihm will. Und sein Gesicht fängt an, furchteinflößend zu glänzen. Die Bibel erzählt, dass er es mit einem Tuch vor den anderen verhüllen muss.

Wenn ich diese dieser Geschichte lese, frage ich mich: Macht eine entschlossene Haltung Angst? Auch heute noch? Wenn man mir schon am Gesicht ablesen kann, wofür ich stehe – schreckt das andere dann ab? Ich halte mich nicht für Mose und spreche gewiss nicht in Gottes Namen so wie er. Aber als Christin sollte ich doch eigentlich den Mut haben, zu zeigen, was sich denke oder fühle.

Und meistens ist das ja auch eine wilde Mischung: Ich will entschlossen für meine Meinung eintreten, bin aber meistens auch unsicher, ob ich nicht doch irgendwo falsch liege – gut, dass es so ist. Oft genug graben trübe Gedanken Sorgenfalten in meine Stirn. Und im nächsten Moment bringt mich etwas zum Lachen, lässt mich aufatmen. Oder ich sehe meinem Gegenüber an seinem Gesicht an, wie’s ihm gerade geht. Und reden zusammen. Gut, dass wir einander ansehen können, wie’s uns gerade geht.

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